Morton, Kate
mit uns nach Hause.« Ihre Mum stellte die Teetasse auf der
Untertasse ab und schob sie von sich weg. »Wir haben für sie eine Stelle in
einem Friseursalon gefunden, auf der Old Kent Road. Sie fängt am Montag an.
Erst mal soll sie nur sauber machen, aber später bringen sie ihr bei, wie man
Haare schneidet und Dauerwellen macht.« Ihre Augen leuchteten zufrieden.
»Zurzeit gibt es viele Möglichkeiten, Merry, wo sich viele von den älteren
Mädchen dem Frauenmarinedienst anschließen oder in die Fabriken gehen. Gute
Gelegenheiten für junge Mädchen mit schlechten Aussichten.«
Ja, das
konnte Meredith sich gut vorstellen. Rita war andauernd mit ihren Haaren
beschäftigt und mit ihrer kostbaren Sammlung an Kosmetikartikeln. »Klingt
prima, Mum. Ist doch toll, jemanden in der Familie zu haben, der dir die Haare
machen kann.«
Es war
offenbar nicht das, was ihre Mum hatte hören wollen. Percy Blythe nahm eine
Zigarette aus dem silbernen Etui, von dem Saffy verlangte, dass sie es in
Gesellschaft benutzte, und tastete ihre Taschen nach einem Feuerzeug ab.
Merediths Dad räusperte sich.
»Die Sache
ist die, Merry«, sagte er, aber seine Verlegenheit tröstete Meredith nicht über
das hinweg, was folgte, »deine Mum und ich, wir finden, es wäre auch für dich
an der Zeit.«
Da begriff
Meredith. Sie wollten, dass sie nach Hause kam, dass sie Friseurin wurde, dass
sie Milderhurst verließ. Das flaue Gefühl in ihrem Magen meldete sich zurück,
stärker als je zuvor. Sie blinzelte, rückte ihr Brille zurecht. »Aber ...
aber«, stammelte sie, »ich will keine Friseurin werden. Saffy sagt, es ist
wichtig, dass ich die Schule abschließe. Damit ich vielleicht sogar auf die
Oberschule gehen kann, wenn der Krieg vorbei ist.«
»Deine Mum
ist nur um deine Zukunft besorgt. Du musst ja nicht Friseurin werden, wir
können auch etwas anderes überlegen, wenn du möchtest. Du könntest vielleicht
in einem Büro arbeiten. In irgendeinem Ministerium.«
»Aber in
London sind wir nicht in Sicherheit!«, platzte Meredith heraus. Ein
großartiger Einfall: Sie fürchtete sich kein bisschen vor Hitler und seinen
Bomben, aber vielleicht war das eine Möglichkeit, ihre Eltern zu überzeugen?
Ihr Dad
tätschelte ihr lächelnd die Schulter. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen,
meine Kleine. Wir alle tragen das Unsere dazu bei, Hitler einen Strich durch
die Rechnung zu machen: Mum arbeitet in einer Munitionsfabrik, und ich mache
Nachtschichten. Bisher ist noch keine Bombe gefallen, und es gab noch keinen
Giftgasangriff. In unserem Viertel hat sich nichts verändert.«
Nichts
verändert. Meredith sah die rußverdreckten Straßen vor sich, ihre
düstere Wohnung in London, und mit einem Mal spürte sie ganz deutlich, wie
verzweifelt sie sich wünschte, in Milderhurst zu bleiben. Sie schaute zum
Schloss hinüber, rang die Hände, wünschte, Juniper würde herbeieilen, weil sie
wusste, dass sie sie brauchte, wünschte, Saffy würde kommen und genau das
Richtige sagen, damit ihre Eltern verstanden, dass sie sie nicht mit nach Hause
nehmen konnten, dass sie ihr gestatten mussten, noch zu bleiben.
Als gäbe
es eine unsichtbare Verbindung zwischen den Zwillingen, schaltete Percy sich
jetzt ein. »Mr. und Mrs. Baker«, sagte sie, während sie das Ende ihrer
Zigarette auf dem silbernen Etui festklopfte und ein Gesicht machte, als wäre
sie lieber ganz woanders. »Ich kann verstehen, dass Sie Meredith gern mit nach
Hause nehmen möchten, aber wenn die Invasion ...«
»Du kommst
heute mit uns mit, Fräulein, keine Widerrede«, fauchte ihre Mum, ohne Percy zu
beachten, und bedachte Meredith mit einem Blick, der ihr eine schlimme Strafe
in Aussicht stellte.
Merediths
Augen füllten sich mit Tränen. »Nein, ich komme nicht mit.«
»Untersteh
dich, zu widersprechen«, knurrte ihr Dad.
»Tja«,
sagte Percy abrupt. Sie hatte den Deckel der Teekanne angehoben, um
hineinzuschauen. »Die Kanne ist leer. Würden Sie mich bitte entschuldigen, ich
will nur schnell neuen Tee holen. Wir haben im Moment kaum Personal.
Kriegsbedingte Sparmaßnahmen.«
Sie
schauten ihr alle drei nach, dann zischte Merediths Mum: »Kaum Personal. Hast
du das gehört?«
»Beruhige
dich, Annie.« Meredith wusste, dass ihr Dad Streitereien nicht ausstehen
konnte. Er war ein Mann, dessen eindrucksvolle Erscheinung so einschüchternd
wirkte, dass er selten austeilen musste. Ihre Mum dagegen ...
»Wie diese
Frau uns behandelt! Was bildet sie sich eigentlich ein?
Weitere Kostenlose Bücher