Morton, Kate
schon gewartet und zu wissen verlangt, wer die junge Frau
gewesen war, die am Morgen an die Tür geklopft hatte, wohin sie so eilig
verschwunden waren und was Meredith vorhatte. Meredith hatte es ihr natürlich
nicht verraten. Das kam gar nicht infrage. Juniper war ihr Geheimnis.
»Eine
Freundin«, hatte sie gesagt, bemüht, nicht allzu geheimnisvoll zu klingen.
»Mum wird
nicht erfreut sein, wenn ich ihr erzähle, dass du dich vor der Hausarbeit
drückst und dich stattdessen mit so einer Wichtigtuerin rumtreibst.«
Aber
Meredith konnte es ihr ausnahmsweise mit gleicher Münze zurückzahlen. »Dad auch
nicht, wenn ich ihm erzähle, dass du es im Luftschutzraum mit dem
Würstchenmann treibst.«
Rita war
vor Empörung rot angelaufen und hatte irgendetwas nach ihr geworfen,
vermutlich ihren Schuh, der sie schmerzhaft am Knie traf, aber sie hatte
gegenüber ihrer Mutter kein Wort über Juniper verlauten lassen.
Meredith
setzte beherzt einen Punkt hinter den Satz und nuckelte gedankenverloren an
ihrem Stift. Als Nächstes würde sie beschreiben, wie sie und Juniper Mr. Cavill
über den Weg gelaufen waren, der so ernst und konzentriert vor sich auf den
Boden gestarrt hatte, als würde er seine Schritte zählen. Schon als sie ihn vom
Park aus entdeckte, hatte ihr Körper gewusst, dass er es war, noch bevor ihr
Verstand es begriffen hatte. Ihr Herz hatte einen Satz gemacht wie eine
losgelassene Sprungfeder, und sie musste daran denken, wie verknallt sie in
ihn gewesen war. Wie sie ihn angesehen und bei jedem Wort an seinen Lippen
gehangen und sich vorgestellt hatte, sie würden bestimmt eines Tages heiraten.
Die Erinnerung ließ sie erschaudern. Sie war doch noch ein Kind gewesen
damals. Was in aller Welt hatte sie sich nur dabei gedacht?
Wie
seltsam es war, wie unergründlich, wie wunderbar, dass sie Juniper und ihn an
ein und demselben Tag wiedergetroffen hatte. Ausgerechnet die beiden Menschen,
die ihr am meisten dabei geholfen hatten, den Weg zu finden, den sie in ihrem
Leben einschlagen wollte. Meredith wusste, dass sie eine blühende Fantasie
besaß, ihre Mutter meckerte ständig an ihr herum wegen ihrer Tagträumerei, aber
das konnte kein Zufall sein, es musste etwas zu bedeuten haben. Es musste ein
Wink des Schicksals sein, dass sie beide gleichzeitig wieder in ihrem Leben
aufgetaucht waren.
Plötzlich
kam Meredith eine Idee; sie sprang vom Bett und zog ihre Sammlung billiger
Notizhefte aus dem Versteck unten im Schrank hervor. Die Geschichte hatte noch
keinen Namen, aber sie brauchte einen, bevor sie sie Juniper zu lesen geben
konnte. Sie abzutippen wie ein ordentliches Manuskript konnte auch nicht
schaden - Mr. Seebohm in Nummer vierzehn besaß eine alte Schreibmaschine;
vielleicht durfte sie sie benutzen, wenn sie im Gegenzug anbot, ihm sein
Mittagessen zu bringen.
Sie kniete
sich auf den Boden, strich sich die Haare hinter die Ohren und blätterte in den
Heften, las hier und da ein paar Zeilen. Aber selbst die Abschnitte, auf die
sie ganz besonders stolz war, würden, das spürte sie, unter Junipers prüfendem
Blick dahinwelken. Ihr sank der Mut. Die ganze Geschichte war viel zu steif.
Ihre Figuren redeten zu viel und empfanden zu wenig und schienen überhaupt
nicht zu wissen, was sie vom Leben wollten. Aber vor allem fehlte etwas
Grundlegendes, ein Aspekt in der Existenz ihrer Heldin, der unbedingt mit Leben
gefüllt werden musste. Wie merkwürdig, dass sie darauf noch nicht gekommen war!
Liebe,
natürlich. Das war es, was ihre Geschichte brauchte. Denn es war doch allein
die Liebe - dieses Sprungfeder-Gefühl im Innern -, die zählte, oder etwa nicht?
3
London, 17. Oktober 1941
Das
Fenstersims in Toms Mansarde war außergewöhnlich breit, darauf saß es sich
perfekt. Es war Junipers Lieblingsplatz, was natürlich überhaupt nichts damit
zu tun hatte, dass sie das Dachzimmer von Schloss Milderhurst vermisste. Denn
das tat sie nicht. Und sie würde es auch nicht vermissen. Im Lauf der Monate,
die sie fern von Milderhurst verbracht hatte, war in ihr der Entschluss gereift,
nie wieder dorthin zurückzukehren.
Sie wusste
inzwischen über das Testament ihres Vaters Bescheid, über die Rolle, die er
ihr zugedacht hatte, und welchen Aufwand er betrieben hatte, um seinen Willen
durchzusetzen. Saffy hatte es ihr alles in einem Brief erklärt, aber nicht, um
Juniper ein schlechtes Gewissen einzureden, sondern um ihrem Verdruss über
Percy Luft zu machen, die ihr in Milderhurst mit ihrer üblen
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