Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
Vom Netzwerk:
Aber er ließ nicht davon ab, und dann musste er den Rest
seines Lebens mit den Konsequenzen leben.« Ihr Blick wanderte wieder zum Goya.
»Mit der Schuld, die er sich aufgeladen hatte, mit seiner Sünde.«
    »Weil er
Saffys Albtraum gestohlen hatte«, sagte ich. Sünde fand ich ein bisschen
übertrieben, aber ich konnte mir gut vorstellen, welche Auswirkung so etwas
auf ein Kind haben musste, zumal auf ein Mädchen, das einen starken Hang zum
Fantastischen hatte. »Er hat ihn ans Tageslicht geholt und zum Leben erweckt.
Er hat ihn Wirklichkeit werden lassen.«
    Percy
lachte, ein gequältes, metallisches Geräusch, das mich erschaudern ließ. »Ach,
Miss Burchill. Er war nicht nur für das Buch verantwortlich. Er war auch für
den Albtraum verantwortlich. Nur wusste er das damals nicht.«
     
    Ein
dumpfes Donnergrollen erschütterte den Turm, und das Licht der Lampe wurde
schwächer. Doch Percy Blythe schien davon nichts zur Kenntnis zu nehmen. Sie
wollte ihre Geschichte zu Ende erzählen. Ich beugte mich vor, begierig zu erfahren,
was Raymond Blythe ihrer Meinung nach getan hatte, um verantwortlich für Saffys
Albtraum zu sein. Sie zündete sich die nächste Zigarette an. Ihre Augen
leuchteten, und vielleicht spürte sie ja meine ungeduldige Neugier, denn sie
schweifte erneut ab. »Meine Mutter hat ihre Affäre fast ein Jahr geheim
gehalten.«
    Ich ließ
enttäuscht mein Notizbuch sinken, was meiner Gastgeberin nicht entging.
»Strapaziere ich Ihre Geduld, Miss Burchill?«, fuhr sie mich an. »Dies ist die
Geschichte der Geburt des Modermann. Und sie
ist ein ziemlicher Knüller, wissen Sie. Wir alle haben unseren Anteil an seiner
Entstehung gehabt, selbst unsere Mutter, auch wenn sie schon tot war, bevor
der Traum geträumt oder das Buch geschrieben wurde.« Sie klopfte sich etwas
Asche von der Bluse, ehe sie mit ihrer Erzählung fortfuhr. »Die Affäre meiner
Mutter ging weiter, und mein Vater ahnte nichts davon. Bis er eines Abends
früher von einer Reise nach London zurückkehrte. Er brachte gute Neuigkeiten
mit. Eine amerikanische Zeitschrift hatte einen Artikel von ihm abgedruckt, der
hochgelobt wurde — er war in Feierlaune. Es war schon spät. Saffy und ich,
gerade erst vier Jahre alt, waren schon zu Bett geschickt worden, und die
Liebenden vergnügten sich in der Bibliothek. Mutters Zofe versuchte meinen
Vater aufzuhalten, aber er hatte Whisky getrunken und war nicht zu bremsen. Er
war überglücklich und wollte mit seiner Frau auf den Erfolg anstoßen. Er
platzte in die Bibliothek, und dort fand er sie.« Sie verzog den Mund bei dem
Gedanken an das, was nun folgte: »Mein Vater bekam einen Tobsuchtsanfall, er
stürzte sich mit den Fäusten auf Sykes, und nachdem Sykes zu Boden gegangen
war, schrie er meine Mutter an, beschimpfte sie auf übelste Weise, packte sie
an den Schultern und schüttelte sie so heftig, dass sie gegen den Tisch
stürzte. Dabei fiel eine Lampe zu Boden und zerbrach, das Petroleum entzündete
sich, und die Flammen erfassten den Saum ihres Kleids. Im nächsten Moment stand
es in Flammen. Mein Vater geriet in Panik und zerrte sie zu den Vorhängen, um
das Feuer zu ersticken, aber damit machte er alles nur noch schlimmer. Die Vorhänge
fingen ebenfalls Feuer, bis das ganze Zimmer brannte. Er trug meine sterbende
Mutter aus der Bibliothek — aber er dachte nicht daran, Sykes herauszuholen.
Er überließ ihn den Flammen. Die Liebe lässt die Menschen grausame Dinge tun,
Miss Burchill. Die Bibliothek brannte völlig aus, aber als die Polizei eintraf,
wurde keine Leiche gefunden. Es war, als wäre Oliver Sykes nie da gewesen. Mein
Vater vermutete, dass die Leiche bei der großen Hitze mehr oder weniger zu
Staub wurde. Die Zofe meiner Mutter verlor kein Wort über die Angelegenheit aus
Angst, den guten Namen ihrer Dienstherrin zu beschmutzen, und niemand kam, um
nach Sykes zu suchen. Es war ein großes Glück für meinen Vater, dass Sykes als
Träumer bekannt war, der oft von seinem Wunsch gesprochen hatte, auf den
Kontinent zu entfliehen und alles zurückzulassen.«
    Was sie
mir erzählt hatte, war entsetzlich - dass das Feuer, das ihre Mutter
dahingerafft hatte, auf diese Weise zustande gekommen war und Oliver Sykes den
Flammen überlassen worden war — aber irgendetwas erschloss sich mir nicht, denn
ich verstand nicht, was das mit dem Modermann zu tun
haben sollte.
    »Ich
selbst habe nichts davon mitbekommen«, sagte sie. »Aber jemand anders. Oben im
Dachzimmer war ein kleines Mädchen

Weitere Kostenlose Bücher