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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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später wurde und Sie noch hier waren.« Sie schaute Percy
liebenswürdig an, aber man sah ihr an, dass sie sich fragte, was ihre Schwester
einen ganzen Tag lang zu erzählen gehabt hatte.
    Ich wollte
ablehnen, aber sie war schon dabei, ein weiteres Gedeck aufzulegen, außerdem
regnete es draußen immer noch in Strömen.
    »Natürlich
bleibt sie«, sagte Percy, ließ meinen Arm los und ging langsam, aber
entschlossen zum Kopfende des Tischs. Sie wandte sich mir zu, als sie Platz
nahm, und im Schein des elektrischen Lichts nahm ich staunend zur Kenntnis,
wie perfekt es ihr gelang, sich ihren Schwestern zuliebe zusammenzureißen. »Ich
habe Sie schon vom Mittagessen abgehalten, da ist ein ordentliches Abendessen
das Mindeste, was wir Ihnen anbieten können.«
     
    Wir aßen
zu viert. Es gab geräucherten Schellfisch - er war lauwarm, hellgelb und
glitschig. Bruno, der endlich im Anrichtezimmer gefunden worden war, wo er
sich verkrochen hatte, lag die meiste Zeit zu Junipers Füßen, die ihn mit
Fischstückchen fütterte. Zum Dessert gab es Toast mit Marmelade, dann tranken
wir Tee, bis uns irgendwann der Gesprächsstoff ausging. Das Gewitter hatte
nicht nachgelassen, es wurde eher noch schlimmer. In unregelmäßigen Abständen
flackerte das Licht - wahrscheinlich stand auch noch ein Stromausfall bevor —,
und jedes Mal, wenn die Lampen sich wieder beruhigt hatten, lächelten wir
erleichtert. Währenddessen stürzte das Wasser über die Dachtraufen und
prasselte gegen die Fensterscheiben.
    »Tja«,
sagte Saffy schließlich. »Ich glaube, Sie haben keine Wahl. Wir werden Ihnen
ein Bett herrichten, und Sie bleiben heute Nacht hier. Ich werde bei Mrs. Bird
anrufen und ihr Bescheid sagen.«
    »Nein,
nein«, erwiderte ich schneller, als es die Höflichkeit geboten hätte. »Ich
möchte Ihnen keine Umstände machen.« Das war nicht gelogen - aber vor allem
widerstrebte es mir, die Nacht im Schloss zu verbringen.
    »Unsinn«,
sagte Percy und wandte den Blick vom Fenster ab. »Draußen ist es stockfinster.
Am Ende fallen Sie noch in den Bach, und bei dem Wetter ist er ein reißender
Strom.« Sie straffte sich. »Nein. Wir wollen nicht, dass es zu einem Unfall
kommt. Wo wir in unserem Schloss doch wahrlich Platz genug haben.«
     
    Eine Nacht
im Schloss
     
    Saffy
begleitete mich zu meinem Zimmer. Von dem Schlossflügel aus, in dem die
Schwestern Blythe wohnten, legten wir einen ziemlich weiten Weg zurück, und
auch wenn es durch lange und düstere Flure ging, so war ich doch froh, dass ich
nicht ins Kellergeschoss gesteckt wurde. Es reichte schon, die Nacht im Schloss
verbringen zu müssen; auf keinen Fall wollte ich in der Nähe des
Familienarchivs schlafen. Wir waren beide mit einer Petroleumlampe ausgerüstet,
stiegen die Treppe zum ersten Stock hinauf und folgten einem breiten Korridor.
Die schwachen Glühbirnen schufen trübe Lichtinseln.
    »Da wären
wir«, sagte sie und öffnete die Tür. »Das Gästezimmer.«
    Sie - oder
vielleicht auch Percy - hatte das Bett bezogen. Auf einem kleinen Nachttisch
stapelten sich mehrere Bücher. »Es ist leider nicht sehr gemütlich«, sagte sie
und sah sich mit einem entschuldigenden Lächeln im Zimmer um. »Wir haben nur
selten Gäste. Wir sind gar nicht mehr daran gewöhnt. Es ist schon lange her,
dass jemand bei uns übernachtet hat.«
    »Es tut
mir leid, Ihnen solche Umstände zu machen.«
    Sie
schüttelte den Kopf. »Unsinn, Sie machen überhaupt keine Umstände. Ich hatte
immer gern Gäste. Besuch zu haben gehört für mich zu einem erfüllten Leben.«
Sie trat ans Bett und stellte ihre Lampe auf den Nachttisch. »Ich habe Ihnen
ein Nachthemd zurechtgelegt und auch ein paar Bücher. Ich kann mir nicht
vorstellen, den Tag ohne eine Geschichte zu beschließen, die mich in den
Schlaf begleitet.«
    Sie nahm
das oberste Buch in die Hand. »Jane Eyre — eins
meiner Lieblingsbücher.«
    »Mir geht
es genauso. Ich habe es immer bei mir, allerdings ist meine Ausgabe nicht
annähernd so schön wie Ihre.«
    Sie
lächelte erfreut. »Sie erinnern mich ein bisschen an mich selbst, Edith. An den
Menschen, der ich hätte werden können, wenn die Dinge anders verlaufen wären.
In London leben, mit Büchern arbeiten. Als ich jung war, habe ich davon
geträumt, Gouvernante zu werden. Zu reisen und Menschen kennenzulernen, in
einem Museum zu arbeiten. Vielleicht meinen eigenen Mr. Rochester
kennenzulernen.«
    Plötzlich
wirkte sie ganz schüchtern, und mir fielen die Schachteln mit dem

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