Morton, Kate
Statuen, das Ganze war von einer hohen Hecke eingefasst — ich hielt
den Atem an. Es war der Garten, den ich bei meinem ersten Besuch vom Dachboden
aus gesehen hatte, die quadratische Einfriedung, die Percy Blythe keinesfalls
als Garten bezeichnet wissen wollte. Und sie hatte recht. Ich hatte darüber im
Tagebuch meiner Mutter gelesen. Dies war der Haustierfriedhof, der Ort, den
Juniper besonders liebte.
Juniper
war mitten im Garten stehen geblieben, eine gebrechliche alte Dame in einem
gespenstischen blassen Kleid, durchnässt und zerzaust. Mit einem Mal ergab es
einen Sinn, was Percy über den Einfluss von Gewittern auf Junipers Gefühlszustände
gesagt hatte. In jener Nacht im Jahr 1941 hatte es
ein Gewitter gegeben, genau wie jetzt ...
Eigenartigerweise
schien sich das Gewitter zu beruhigen, wie sie dort stand. Ich betrachtete sie
wie gebannt, bis mir klar wurde, dass ich sie ins Haus holen musste. Sie
konnte unmöglich da draußen bleiben. Im selben Augenblick hörte ich eine Stimme
und sah, wie Juniper sich nach rechts wandte. Durch ein Tor in der Hecke
erschien Percy Blythe in Regenmantel und Gummistiefeln und rief ihrer kleinen
Schwester etwas zu. Sie breitete die Arme aus, und Juniper stolperte ihr
entgegen.
Plötzlich
kam ich mir wie ein Eindringling vor; eine Fremde, die eine sehr intime
Situation beobachtete. Ich wandte mich um.
Hinter mir
stand jemand.
Es war
Saffy. Sie trug das Haar offen und hatte sich in einen Morgenmantel gehüllt.
»Oh, Edith«, sagte sie voller Verlegenheit, »ich muss mich für die Störung
entschuldigen.«
»Juniper
...«, begann ich mit einem Blick über die Schulter.
»Es ist
alles in Ordnung«, sagte sie mit einem freundlichen Lächeln. »Sie geistert
manchmal herum. Kein Grund zur Sorge. Percy bringt sie ins Haus. Sie können
sich wieder ins Bett legen.«
Ich eilte
die Treppe hoch, den Flur entlang und in mein Zimmer. Ich schloss die Tür
sorgfältig hinter mir, lehnte mich dagegen und versuchte, wieder gleichmäßig zu
atmen. Ich betätigte den Lichtschalter in der Hoffnung, dass es wieder Strom
gab, aber es war nichts zu machen. Nur das Klicken des Schalters und kein
beruhigender Lichtschein.
Ich
schlich wieder ins Bett, stellte die rätselhafte Schachtel auf den Boden und
wickelte mich in die Decke ein. Den Kopf ins Kissen gedrückt, lauschte ich
meinem Pulsschlag. Immer wieder gingen mir Junipers Worte durch den Kopf, die
Bemühungen ihres verwirrten Geistes, sich zu erinnern, die Umarmung mit Percy
auf dem Haustierfriedhof. Und dann erkannte ich, in welchem Punkt Percy Blythe
mich belogen hatte. Zweifellos war Thomas Cavill in einer Gewitternacht im
Oktober 1941 ums Leben
gekommen, aber nicht Percy hatte ihn auf dem Gewissen. Bis zum bitteren Ende
nahm sie ihre kleine Schwester in Schutz.
Der Tag danach
Irgendwann
muss ich eingeschlafen sein, denn das Nächste, woran ich mich erinnere, ist ein
schwacher, diesiger Lichtschein, der durch einen Spalt zwischen den
Fensterläden ins Zimmer fiel. Das Gewitter hatte sich gelegt und einen erschöpften
Morgen zurückgelassen. Ich blieb noch eine Weile liegen, blinzelte zur Decke
und ließ die Ereignisse der Nacht Revue passieren. Als es endlich hell wurde,
war ich überzeugter denn je, dass es Juniper war, die für den Tod von Thomas
verantwortlich war. Alles andere ergab keinen Sinn. Und ich wusste auch, dass
Percy und Saffy ängstlich darauf bedacht waren, dass niemand je die Wahrheit
erfuhr.
Als ich
aus dem Bett stieg, wäre ich fast über die Schachtel gestolpert, Junipers
Geschenk. Über alles andere, was vorgefallen war, hatte ich es völlig
vergessen. Die Schachtel hatte dieselbe Form und Größe wie die von Saffys
Sammlung im Familienarchiv, und als ich sie öffnete, fand ich ein Manuskript,
aber es stammte nicht von Saffy. Die Überschrift lautete: Schicksal
— Eine Liebesgeschichte. Von Meredith Baker, Oktober 1941.
Wir hatten
alle verschlafen, und obwohl es schon spät am Vormittag war, war im gelben
Salon der Frühstückstisch gedeckt. Als ich die Treppe herunterkam, saßen alle
drei Schwestern bereits an ihrem Platz; die Zwillinge plauderten angeregt, als
wäre in der Nacht nichts Ungewöhnliches vorgefallen. Und vielleicht war es ja
auch so; vielleicht war ich ja nur Zeugin eines ganz alltäglichen Vorfalls
geworden. Saffy bot mir lächelnd eine Tasse Tee an. Ich bedankte mich und warf
einen Blick zu Juniper hinüber, die mit ausdrucksloser Miene in ihrem Sessel
saß; an ihrem Verhalten
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