Morton, Kate
»In diesem Teich habe ich schwimmen
gelernt«, sagte sie. »Als ich im Schloss gewohnt habe.«
Ich beugte
mich vor, um die Erläuterung unter dem Foto lesen zu können. Oliver
Sykes, der die Baustelle überwacht, erklärt Mr. und Mrs. Raymond Blythe den
Fortgang der Arbeiten an ihrem neuen Badeteich. Da war er
also, der gut aussehende junge Architekt, der Modermann, der sein Leben in dem
Schlossgraben, den er neu gestaltet hatte, beenden sollte. Ich bekam eine
Gänsehaut. Und ich hörte wieder Percy Blythes inständige Bitte: Vergessen
Sie Ihr Versprechen nicht. Ich verlasse mich auf Sie.
»Möchten
die Damen gern zu Mittag essen?«, fragte Mrs. Bird.
Ich wandte
mich von Sykes' lächelndem Gesicht ab. »Was meinst du, Mum? Du musst doch
Hunger haben nach der langen Fahrt.«
»Eine
Suppe wäre wunderbar. Können wir uns vielleicht nach draußen setzen?«
Wir nahmen
an einem Tisch Platz, von dem aus wir das Schloss sehen konnten; Mrs. Bird
hatte den Vorschlag gemacht, und bevor ich ablehnen konnte, hatte Mum tapfer
erklärt, das sei in Ordnung. Während die Gänse die Pfützen um uns herum nach
Krümeln von unserem Tisch absuchten, erzählte meine Mutter von ihrer
Vergangenheit. Von der Zeit, die sie in Milderhurst verbracht hatte, von ihren
Gefühlen für Juniper, ihrer Schwärmerei für ihren Lehrer Mr. Cavill, und schließlich
erzählte sie mir von ihrem Traum, Journalistin zu werden.
»Und was
ist dazwischengekommen, Mum?«, fragte ich, während ich Butter auf mein Brot
strich. »Warum hast du es dir anders überlegt?«
»Ich habe
es mir nicht anders überlegt. Ich habe nur ...« Sie veränderte ihre Position
auf dem weißen Eisenstuhl, den Mrs. Bird mit dem Handtuch trocken gewischt
hatte. »Ich glaube, dass ich ... Am Ende konnte ich nicht ...« Sie runzelte die
Stirn über ihre Unfähigkeit, die richtigen Worte zu finden, aber schließlich
sprach sie entschlossen weiter. »Dass ich Juniper kennengelernt habe, hat mir
eine Tür geöffnet, und ich wollte unbedingt zu der Welt auf der anderen Seite
gehören. Aber ohne sie konnte ich mich in dieser Welt nicht behaupten. Ich habe
es versucht, Edie, ich hab's wirklich versucht. Ich habe davon geträumt zu
studieren, aber während des Kriegs waren so viele Schulen in London
geschlossen, und zu guter Letzt habe ich mich um eine Stelle als Schreibkraft
beworben. Das sollte eigentlich eine Übergangslösung sein, und ich habe immer
gehofft, irgendwann würde ich das machen können, was ich mir vorgenommen
hatte. Aber als der Krieg zu Ende war, war ich achtzehn und zu alt für die
Schule. Und ohne Abschluss an einer höheren Schule konnte ich nicht studieren.«
»Deswegen
hast du mit dem Schreiben aufgehört?«
»Nein,
nein.« Mit ihrem Löffel zeichnete sie eine Acht in ihre Suppe, immer hin und
her. »Nein, ich habe nicht damit aufgehört. Ich war damals ziemlich hartnäckig.
Ich war wild entschlossen, mich von so einer Kleinigkeit nicht aufhalten zu
lassen.« Sie lächelte vor sich hin, ohne aufzublicken. »Ich sagte mir, ich
würde einfach für mich selbst schreiben und irgendwann eine berühmte
Journalistin werden.«
Ich musste
ebenfalls lächeln, gerührt und beglückt über ihre Beschreibung der
unerschrockenen jungen Meredith Baker.
»Ich habe
mir ein eigenes Programm verordnet und alles verschlungen, was ich in der
Bibliothek finden konnte, habe Artikel, Besprechungen, manchmal auch
Geschichten geschrieben und verschickt.«
»Und ist
irgendwas davon veröffentlicht worden?«
Sie
rutschte verlegen auf ihrem Stuhl hin und her. »Ein paar kleine Sachen hier und
dort. Ich bekam ein paar ermutigende Briefe von Herausgebern der größeren
Zeitungen. Freundlich, aber bestimmt, in denen sie mir schrieben, ich hätte den
Stil des Hauses noch nicht richtig verinnerlicht. Dann, 1952, wurde mir
ein Job angeboten.« Sie schaute zu den Gänsen hinüber, die gerade mit den
Flügeln schlugen, und etwas an ihrer Haltung änderte sich, sie sank ein bisschen
in sich zusammen. Sie legte ihren Löffel ab. »Der Job war bei der BBC, ein
bloßes Volontariat, aber genau das, was ich wollte.«
»Und was
ist passiert?«
»Ich habe
mir von meinem Ersparten passende Kleidung und eine Ledertasche gekauft, um
professionell zu wirken. Ich nahm mir fest vor, selbstbewusst aufzutreten,
deutlich zu sprechen, nicht die Schultern hängen zu lassen. Aber dann«, sie
betrachtete ihre Handrücken und rieb sich mit dem Daumen über die Knöchel,
»gab es ein Durcheinander mit den
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