Morton, Kate
wider,
als hätte sie sie gesagt. Ich erinnere mich nicht. Vier
einfache Worte, harmlose Worte, wenn sie nicht aus Junipers Mund kamen. Saffy
spürte die Beklemmung wie einen Klumpen Blei im Magen. Sie schaute Percy an und
entdeckte in ihren Augen dasselbe Unbehagen.
»Komm erst
mal herein«, sagte Percy, die ihr Lächeln wiedergefunden hatte, »wir müssen ja
bei dem Wetter nicht in der Tür stehen.«
»Genau!«,
bekräftigte Saffy. »Du Armes, am Ende holst du dir noch eine Erkältung ...
Percy, kannst du eine Wärmflasche von unten holen?«
Als Percy
durch den düsteren Korridor in Richtung Küche verschwand, packte Juniper Saffy
an den Handgelenken und sagte: »Tom?«
»Noch
nicht.«
Enttäuschung
machte sich auf ihrem Gesicht breit. »Aber es ist so spät. Ich habe mich
doch schon verspätet.« »Ich weiß, Liebes.«
»Aber was
könnte ihn denn aufhalten?«
»Der
Krieg, Liebes, der Krieg ist an allem schuld. Komm rein und setz dich ans
Feuer. Ich mach dir etwas Kräftiges zu trinken. Er kommt bestimmt bald, du
wirst schon sehen.«
Als sie
das gute Zimmer betraten, betrachtete Saffy für einen kurzen Moment die hübsche
Szene, bevor sie Juniper zu dem Teppich am Kamin führte. Sie schob das größte
Stück Kaminholz mehr zur Mitte, während Juniper eine Schachtel Zigaretten aus
ihrer Manteltasche kramte.
Saffy
zuckte zusammen, als das Holz Funken spie. Sie richtete sich auf, stellte den
Schürhaken zurück an seinen Platz und wischte sich die Hände ab, obwohl es
nichts abzuwischen gab. Juniper riss ein Streichholz an und inhalierte hörbar
den Rauch. »Deine Haare«, sagte Saffy sanft.
»Ich habe
sie mir abschneiden lassen.« Jede andere Frau hätte jetzt nach ihren Haaren
gefasst, aber Juniper nicht. »Also, mir gefällt es.«
Sie
lächelten einander an. Juniper wirkte ein wenig verstört, fand Saffy. Was
überhaupt keinen Sinn ergab, denn Juniper war nie nervös. Saffy tat so, als
würde sie nicht hinsehen, als ihre Schwester einen Arm um sich schlang und
weiterrauchte.
London, hätte
Saffy am liebsten gesagt. Du warst in London! Erzähl mir
davon, zeichne es mir auf mit Worten, damit ich es mir vorstellen kann und
alles kennenlerne, was du kennst. Warst du tanzen? Hast du am Serpentine-See
gesessen? Hast du dich verliebt? Fragen über Fragen, die
ausgesprochen werden wollten, aber sie sagte nichts. Stattdessen stand sie da
wie eine Närrin, während das Feuer ihr Gesicht wärmte und die Minuten
vorübertickten. Es war absolut lächerlich; Percy würde jeden Moment zurück
sein, und die Möglichkeit, allein mit Juniper zu reden, wäre vertan. Sie sollte
sie einfach geradeheraus auffordern: Erzähl mir von ihm, Liebes, erzähl
mir von Tom, von deinen Plänen. Das war schließlich Juniper, ihre
innig geliebte kleine Schwester. Es gab nichts, worüber sie nicht hätten reden
können. Und dennoch. Saffy dachte an den Tagebucheintrag, und ihre Wangen
wurden heiß. »Ach, wie nachlässig von mir«, sagte sie. »Komm, gib mir deinen
Mantel.«
Sie trat
hinter ihre Schwester wie ein Dienstmädchen, zog erst an dem einen Ärmel, dann,
nachdem Juniper ihre Zigarette in die andere Hand genommen hatte, am anderen,
nahm den Mantel von den mageren Schultern und legte ihn auf den Sessel unter
dem Gemälde von Constable. Es war nicht gerade die beste Lösung, das Wasser auf
den Boden tropfen zu lassen, aber sie hatte jetzt keine Zeit, sich darum zu
kümmern. Sie machte sich ein bisschen an dem Mantel zu schaffen, strich den
Stoff glatt, bemerkte die Handarbeit des Saums, während sie sich fragte, warum
sie so zurückhaltend war. Sie schalt sich dafür, dass ihr ganz normale Fragen
nicht über die Lippen kamen, als wäre die junge Frau am Kamin eine Fremde. Das
war Juniper, Herrgott noch mal, die endlich nach Hause gekommen war,
wahrscheinlich mit einem ziemlich wichtigen Geheimnis.
»Dein
Brief«, gab Saffy das Stichwort, während sie den Mantelkragen glatt strich und
sich flüchtig fragte, wo ihre Schwester so einen Mantel herhaben mochte. »Dein
letzter Brief.«
»Was ist
damit?«
Juniper
kauerte vor dem Kamin, wie sie es schon als Kind getan hatte, und wandte nicht
einmal den Kopf. Enttäuscht begriff Saffy, dass ihre Schwester es ihr nicht
leicht machen würde. Sie zögerte, straffte sich, dann erinnerte sie das
entfernte Schlagen einer Tür daran, dass ihr nicht viel Zeit bleib. »Bitte,
Juniper«, sagte sie und trat hastig ein bisschen näher. »Erzähl mir von Tom,
erzähl mir alles, Liebes.«
»Von
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