Morton Rhu - Leben und Werk
verwenden. Sie folgt einem Drehbuch von Johnny Dawkins, das uns zur Verfügung stand. Darauf basiert ja dann auch Morton Rhues Roman. Und wir durften uns auf die Berichte von Ron Jones stützen. Das tat im Übrigen auch Dawkins, der im Wesentlichen die Kurzgeschichte von Ron Jones aus dem Jahr 1972 »The Third Wave – Take as Directed« dramatisierte. Sowohl zu Ron Jones, der dann auch an unserer Premiere 2008 in Berlin teilnahm, als auch zu Morton Rhue hatten wir während der Entwicklungsarbeit Kontakt. Und vor allem Morton Rhues Text war für uns sehr hilfreich, gibt es doch nur sehr wenige Autoren, die so nah dran sind an den Jugendlichen – sowohl was ihre Sprache als auch was ihr Lebensgefühl betrifft.
Nicola Bardola: Die Welle wurde ja dann auch in den USA gezeigt. Ein seltener Vorgang: Ein amerikanischer Stoff wird nach Deutschland versetzt, hier verfilmt und ins Ursprungsland mit anderem kulturellen Hintergrund zurückversetzt. Gab es Reaktionen aus den USA ?
Dennis Gansel: Das deutsche Original wurde mit Untertiteln in den USA gezeigt. Witzig dabei ist, dass es kein Feedback in der Art gibt wie »das kennen wir ja schon«. Das hängt damit zusammen, dass sowohl das Experiment als auch die Filme und Morton Rhues Buch in den USA weniger bekannt sind. Übrigens ist Rhues Roman »Die Welle« auch in Ländern wie Frankreich kaum verbreitet. Den größten Erfolg hat er wohl hier in Deutschland und das hängt sicher mit der Thematik zusammen. Quentin Tarantino war jedenfalls der Einzige, dem wir begegneten und der den Originalfilm von ABC kannte. Wir trafen ihn beim Sundance Film Festival: »I heard about the experiment and I saw the American TV version of your excellent movie …« Die anderen kannten unsere »deutsche Welle« und das gesamte Phänomen nicht. Auch die sechzigminütige Schul- TV -Sendung, die ABC Anfang der 1980er Jahre ausgestrahlt hatte, ist in den USA wohl eher folgenlos geblieben.
Nicola Bardola: Verpasst das Ursprungsland der Welle damit etwas Wichtiges?
Dennis Gansel: Ich würde als amerikanischer Produzent sofort einen amerikanischen Film daraus machen. Ich könnte mir vorstellen, dass es besonders spannend wäre, einen Film zu entwickeln, der ganz original und ganz genau die Ereignisse von 1967 an der Highschool in Palo Alto berücksichtigt – wie ein Protokoll der Vorgänge damals. Angefangen beim Experiment selbst und bei Ron Jones’ Aufsatz »The Third Wave« über das Buch zum Film von Morton Rhue bis hin zu den aktuellen Wortmeldungen von Schülern, die damals dabei waren, ließen sich alle Elemente einbeziehen. Der Stoff ist ja sehr komplex. Was Morton Rhue geschrieben hat, entspricht nicht exakt den Abläufen des Experiments. Er hat das sehr geschickt fiktionalisiert und einen spannenden Roman daraus gemacht, wobei er sich in vielen Punkten von den Tatsachen entfernt hat. Viele Menschen haben mich nach dem Film angesprochen und gesagt, er folge ja gar nicht den tatsächlichen Ereignissen. Das ist richtig. Es gibt ja schon vom Original-Experiment selbst viele zum Teil widersprüchliche Aussagen unter anderem über die Rolle von Ron Jones.
Nicola Bardola: Gab es Probleme bei der Adaption?
Dennis Gansel: Es gibt ein Skelett, an das wir uns gehalten haben. Aber Abweichungen im Detail sind unvermeidbar. Die Anzahl der Tage beispielsweise entspricht in unserem Film nicht den tatsächlichen Ereignissen. Wir haben um einen Tag verkürzt. Allerdings entsprechen die Figuren und die Figurenkonstellationen schon ziemlich genau der Romanfassung von Morton Rhue. Wir fanden das sehr gut von ihm ausgearbeitet. Schwierig war natürlich die Frage, wie so etwas in Deutschland ablaufen würde. Der Autor Peter Thorwarth und ich haben gleichsam wieder die Schulbank gedrückt. Wir haben uns mit Schülern unterhalten, sind an unsere alten Schulen gegangen, haben am Unterricht teilgenommen und vieles mehr. Das war eine Zeitreise in die eigene Jugend, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das kalifornische Experiment aus dem Jahr 1967 an einem deutschen Gymnasium heute ablaufen könnte. Schließlich haben wir das Drehbuch von deutschen Schülern lesen lassen. Wir haben uns verschiedene Meinungen eingeholt und zwar aus vielen verschiedenen Gegenden in Deutschland – von Großstädten bis zu ländlichen Regionen wie Murnau. So haben wir versucht herauszufinden, ob unser Drehbuch realistisch ist – und zwar nicht nur für Lehrer und Pädagogen, sondern auch für Schüler. Das betrifft also Fragen
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