Morton Rhu - Leben und Werk
es bald zu kalt wird für eine Flucht. Der Plan der drei sieht die Flucht nach Kanada vor, wohin sie von den Häschern des Camps nicht verfolgt werden könnten. Es ist immer wieder erschreckend, wenn man sich während des Lesens von »Boot Camp« verdeutlicht, dass alles Recht auf der Seite der Campleiter ist. Aufgrund der Einverständniserklärungen der Eltern haben sie die Freiheit, jegliche Zwangsmaßnahmen anzuwenden, um den Willen der Insassen zu brechen.
Die körperlichen Misshandlungen lässt das Camp von jugendlichen Straftätern ausführen, die froh sind, ihre aufgestauten Aggressionen ungestraft an Schwächeren auslassen zu können. So hält sich das Camp auch hier auf der sicheren Seite, denn die angestellten Aufseher müssen sich die Hände nicht selbst schmutzig machen.
»Boot Camp« ist ein hartes, realistisches Buch, das den Menschen in all seinem Potenzial zum Sadismus und zum Bösen zeigt und nichts verklärt oder beschönigt. Morton Rhue traut seinen jugendlichen Lesern viel zu und hat sich nicht zuletzt deshalb eine so große und stetig wachsende Fangemeinde erschrieben.
Dabei sieht es in »Boot Camp« zunächst danach aus, als würde alles gut werden, denn die Flucht der drei gelingt. Sie sorgen für einen Stromausfall, der die Alarmanlage deaktiviert, und legen ein Feuer. Als die Feuerwehr anrückt und im Camp die Situation kurzfristig außer Kontrolle gerät, gelingt es ihnen, zu entkommen.
Doch der schwerste Teil steht noch bevor: Connor, Pauly und Sarah müssen ohne Geld, Papiere und warme Kleidung bis nach Kanada kommen. Dieser Weg gestaltet sich dramatisch und »Boot Camp« lässt die Leser atemlos – fast so, als handle es sich um einen Thriller – von Seite zu Seite eilen. Als die Freunde endlich an den Fluss gelangen, der die Grenze zu Kanada bildet, sehen sie sich vor zwei letzten Problemen. Zum einen haben sie keine Pässe und können deshalb nicht durch den Zoll, zum anderen sitzen ihnen ihre Verfolger im Nacken. Denn natürlich hat das Camp Leute losgeschickt, um die drei wieder einzufangen. Der Ruf von Lake Harmony steht auf dem Spiel, und so ziehen die Leiter alle Register.
Die drei Jugendlichen beschließen, ein Boot zu klauen, um damit über die Grenze zu gelangen. Bevor sie in das Boot steigen, entfernt Connor schnell die Bodenstöpsel aus den anderen Booten, sodass diese langsam mit Wasser volllaufen. Dann wirft er den Außenbordmotor an und die drei sind auf dem Weg in die Freiheit.
Doch als sie sich schon sicher wähnen, merken sie, dass ihre Verfolger auch ein Boot bestiegen haben. Sie haben in ihrem Jagdeifer nicht gemerkt, dass sich das Boot mit Wasser füllt und bald sinken wird.
So gerät Connor kurz vor der kanadischen Grenze noch einmal in einen Gewissenskonflikt.
Zweihundert Meter hinter uns prescht Harrys Boot über die Wellen, dass die Gischt nach allen Seiten spritzt. Hat er gesehen, dass der Stöpsel fehlt, und das Loch irgendwie zugestopft? Ich drehe mich wieder um und versuche, mich auf unser Ziel zu konzentrieren. Wir haben schon über die Hälfte geschafft. Pauly und Sarah blicken ebenfalls nach vorn. Als ich noch einmal zurückschaue, sehe ich, dass Harrys Boot nicht mehr über die Wellen springt. Es liegt jetzt tiefer im Wasser und schiebt nur noch eine Bugwelle vor sich her wie ein Schlepper. Pauly und Sarah beobachten mich, als warteten sie auf meine Entscheidung.
Du hast diesen ganzen Mist nicht durchgemacht und diesen weiten Weg nicht zurückgelegt, um jetzt einfach umzukehren. Harry würde niemals umkehren, um dich zu retten. Aber man kann andere Menschen doch nicht sterben lassen. Oder?
Connor entscheidet verantwortungsbewusst. Er bringt Sarah und Pauly bis zum kanadischen Ufer und dreht dann um, um seinen zwei Entführern das Leben zu retten. Er ist trotz der Brutalität, der er in neun Monaten Lake Harmony ausgesetzt war, noch immer nicht verroht.
Endlich einsichtig
Die »Transporteure« danken Connor diese Menschlichkeit, indem sie ihn zurück ins Camp bringen. Wenn es dort vorher heftig war, so wird es jetzt unerträglich. Connor wird als Bestrafung für die Unruhe, die er im Camp verursacht hat, täglich geprügelt und immer wieder auf die Isolierstation gesperrt. Außerdem droht ihm Joe ganz unverhohlen damit, dass ein gelegentlicher Todesfall in einem Boot Camp zwar traurig, aber nie ganz auszuschließen sei.
Doch Connor überlebt. Die härtere Gangart, der er sich ausgesetzt sieht, zeigt Wirkung. Nach ein paar Wochen vergisst er
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