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Morton Rhu - Leben und Werk

Morton Rhu - Leben und Werk

Titel: Morton Rhu - Leben und Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Bardola
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besuchen, wenn sie das wollen.«
    Obwohl ich nur wenige Stunden geschlafen und schreckliche Kopfschmerzen habe, gelingt es mir, die ganzen 61 Seiten durchzulesen. Da werden Regeln aufgezählt: »Nicht sprechen. Nichts anfassen. Keine geringschätzigen Blicke.« Da werden die sechs Stufen erklärt, die man durchlaufen muss, bis man als Kandidat für die »Abschlussprüfung« angenommen wird. Da wird das komplizierte System beschrieben, das festlegt, wie man von einer Stufe zur nächsten kommt.
    Die Zeit, die für Connor jetzt beginnt, wird zu einer ausweglosen Qual.
    Der Oberausbilder Joe hat es von Anfang an auf ihn abgesehen und lässt keine Gelegenheit aus, Connor zu demütigen. Außerdem wird Connor zunehmend unsicher, ob seine Freundin, die Lehrerin, auf ihn warten wird.
    Anfangs hofft er noch, sich durchmogeln zu können, indem er sich ruhig und nicht aufmüpfig verhält und den Wandel, der mit seinem Charakter geschehen soll, einfach vortäuscht. Doch bald muss Connor erkennen, dass die Leiter des Camps diese Masche durchschauen und dass seine Eltern wohl kaum 4000 Dollar im Monat bezahlen würden, wenn Lake Harmony nicht fast immer die gewünschten Ergebnisse liefern würde. Und tatsächlich wirken die Jungen und Mädchen, die schon länger im Camp sind, völlig gebrochen und sind nur noch Wachs in den Händen der brutalen Aufseher. Dies erkennt Connor, als er in einer Diskussionsrunde andeutet, dass auch Erziehungsberechtigte sich mal irren könnten.
    Alle im Raum äußern plötzlich lautstark Kritik, sie greifen nach dieser Gelegenheit, um Joe zu beweisen, dass sie es besser wissen. Dass sie im Gegensatz zu mir ihre Lektion schon gelernt haben. Dass Eltern immer Recht haben und dass sie auf seiner Seite sind, nicht auf meiner.
    »Natürlich haben unsere Eltern Recht, du Schwachkopf!«
    »Also wirklich, du Idiot, wann wirst du endlich mal selbst die Verantwortung übernehmen?«
    »Du kannst nicht dauernd den anderen die Schuld geben, wenn du Mist gebaut hast!«
    Während sie einer nach dem anderen die vorgestanzten Weisheiten des Camps runterleiern, sehen sie ihren allwissenden »Vater« an, als erwarteten sie Fleißkärtchen von ihm, als wollten sie dadurch einige der wenigen Freiheiten, die Lake Harmony zu bieten hat, ergattern.
    Gezielt wird im Camp die Solidarität zwischen den Jugendlichen zerstört, sodass alle Insassen versuchen, die eigenen Aussichten auf ein baldiges Verlassen des Camps zu verbessern, indem sie die geringsten Regelverstöße der anderen melden. Besonders makaber ist dabei, dass das gesamte System des Camps nicht funktionieren könnte, wenn die Jugendlichen zusammenhalten würden. Doch die Leiter von Lake Harmony um Mr Z sind psychologisch geschult und haben unter anderem das System der alten Römer »Teile und herrsche!« verinnerlicht. So fällt es ihnen leicht, die perfekte Überwachung über alles, was im Camp geschieht, aufrechtzuerhalten. Das in Morton Rhues packender Darstellung zu lesen und zu durchschauen, gehört zu den Besonderheiten von »Boot Camp«.
    Einzig zu zwei Mitgefangenen baut Connor eine Beziehung auf: einerseits zu dem dicklichen und schwachen Pauly, den sein Vater mit dem Wunsch, einen »großen, starken Jungen« zurückzubekommen, ins Camp eingewiesen hat. Zum anderen zu Sarah, die schon seit drei Jahren im Camp ist, weil ihr Vater als strenger Mormone mit seiner freidenkerischen Tochter nicht zurechtkam.
    Sarah und Pauly haben wie Connor das Problem, dass von ihnen ein Bereuen und ein Ändern ihres früheren Verhaltens erwartet wird, obwohl sie nichts Unrechtes getan haben. In einem Boot Camp mag es zwar möglich sein, jemanden, der gestohlen und Drogen genommen hat, von der Verwerflichkeit seines Handelns zu überzeugen. Doch viel schwieriger ist es, einen kleinen, dicken Jungen zu einer Sportskanone zu machen oder einen Menschen dazu zu bringen, nicht mehr in seine Freundin verliebt zu sein.
    Als die drei zunehmend erkennen, dass sie keine Möglichkeit haben, auf normalem Weg aus Lake Harmony herauszukommen, fassen sie in ihrer Verzweiflung den Plan zu fliehen.
    Flucht nach Kanada
    Anfangs sind dies zwar nur heimlich auf dem Gang geflüsterte Gedankenspiele. Sie werden aber bitterer Ernst, als sich abzeichnet, dass jeder weitere Tag in Lake Harmony das Ende für Sarah bedeuten könnte. Denn Sarah verliert zunehmend jeglichen Lebensmut, isst kaum noch und wird dafür von den Aufsehern ständig in die Isolierstation gesperrt. Außerdem ist es Herbst, sodass

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