Mosaik
hinter ihrer Stirn wurde heißes Brennen. Ihr Gesicht verwandelte sich in eine Grimasse, als sie darauf wartete, daß die Pein nachließ. Dann begann sie mit einer Einschätzung ihrer aktuellen Lage.
Sie konnte nichts sehen. Wo auch immer sie sich befand: Um sie herum herrschte rabenschwarze Finsternis. Vorsichtig beugte sie sich vor und betastete den Boden. Er war feucht und roch nach Torf. Als sie sich noch etwas weiter vorbeugte, stieß sie gegen eine Barriere aus Metall. Mit ausgestreckten Händen tastete sie nach rechts und folgte der Wand, bis diese an einer anderen endete, einen Winkel von neunzig Grad mit ihr bildete. Auf diese Weise setzte sie die Erforschung ihrer Umgebung fort und fand heraus, daß sie in einem metallenen Pferch hockte, dessen Grundfläche etwa anderthalb Quadratmeter betrug.
Und in dem Kathryn nicht aufrecht stehen konnte. Selbst im Sitzen mußte sie den Kopf gebeugt halten, damit er nicht an die Decke stieß. Wenn sie lag, mußte sie die Beine anziehen. Der Käfig erlaubte es ihr nicht, sich zu strecken.
Der feuchte Boden sog die Körperwärme aus ihr. Kälte erfaßte sie, kroch bis ins Knochenmark. Bestand die Gefahr der Unterkühlung oder gar des Kältetods? Kathryn begann damit, sich die Arme und Beine zu reiben, um etwas Wärme in sie zurückzubringen.
Was war geschehen? Ihre letzten Erinnerungen betrafen die Icarus. Sie hatte mit einem Handcomputer gearbeitet. Justin Tighe saß in der Nähe, und… Augenblick. Das Shuttle. Admiral Paris. Sie flogen zu einem Mond des Planeten Urtea II, um ein Sensorsystem zu überprüfen, und dann…
Ein plötzliches Geräusch, und jähes Licht verdrängte die Dunkelheit. Wie mit spitzen Eiszapfen stach es in Kathryns Augen. Sie hob beide Hände vors Gesicht und hörte die Stimme eines Mannes.
»Bitte kommen Sie heraus und treten Sie zu uns, meine Liebe«, sagte jemand.
Die Augen schmerzten noch immer, und Kathryn hielt den Blick gesenkt, als sie aus dem Pferch kroch. Sie spürte Wärme jenseits der Öffnung, ein willkommenes Gefühl, das sie etwas
zuversichtlicher stimmte. Ein starker Arm half ihr auf die Beine, aber sie konnte nicht aus eigener Kraft stehen. Ihre Knie knickten immer wieder ein. Sie dachte an neugeborene Tiere, die unsicher erste Schritte versuchten. Der starke Arm hielt sie fest, bis die Schwäche aus ihren Beinen wich. Schließlich blickte sie auf, spähte durch das grelle Licht und sah das Gesicht eines Fremden.
Ein solches Geschöpf hatte Kathryn nie zuvor gesehen. Der Mann war groß und ziemlich dünn. Knorpel zeigten sich im Gesicht und am Hals. Die Gestalt wirkte sehr beeindruckend, doch die Augen blickten freundlich. »Ich bin Gul Camet«, sagte der Fremde mit volltönender, angenehmer klingender Stimme.
Kathryn entspannte sich ein wenig.
»Bitte entschuldigen Sie die Art und Weise, in der man Sie behandelt hat. Ich bin davon ausgegangenen, meine Leute hätten Sie in einem Quartier untergebracht, doch dann mußte ich erfahren, daß Ihnen die gleiche Behandlung widerfuhr wie einem gewöhnlichen Kriminellen. Ich darf Ihnen versichern, daß die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft gezogen werden.« Der große Mann betrachtete die Kopfverletzung der jungen Frau. »Sie brauchen medizinische Hilfe. Bitte kommen Sie mit.«
Sie befanden sich auf einem hellen, steinernen Hof, und Kathryn folgte Gul Camet dankbar in einen Korridor, der sie mit matterem Licht begrüßte. Kurze Zeit später erreichten sie eine große Kammer mit niedriger, gewölbter Decke und verzierten Wänden. Die Einrichtung bestand aus einem Tisch und zwei Stühlen.
Gul Camet betätigte einige Kontrollen auf dem Tisch und bedeutete Kathryn, Platz zu nehmen. »Der Arzt wird gleich hier sein. Wie fühlen Sie sich?«
»Ich… weiß nicht genau. Mir ist kalt. Und ich habe
Kopfschmerzen.«
»Vielleicht das Ergebnis einer leichten Gehirnerschütterung.
Der Arzt kann Ihnen bestimmt helfen. Erinnern Sie sich daran, wodurch Sie verletzt wurden?«
Kathryn versuchte, die einzelnen Erinnerungsfragmente zu einem einheitlichen Bild zusammenzufügen. »Ich war an Bord des Shuttles, saß neben dem Admiral…« Der Gedanke an
Admiral Paris weckte Besorgnis in ihr. »Wo ist er? Wo ist der Admiral?«
»Ihr Begleiter? Ich fürchte, er wurde schwerer verletzt als Sie.
Man brachte ihn in ein Hospital, aber keine Angst: Er wird sich vollständig erholen.«
Kathryn starte den Mann groß an. Sie entsann sich jetzt auch an die letzten Momente vor ihrer
Weitere Kostenlose Bücher