Moser Und Der Tote Vom Tunnel
die Wand des Führerhauses.
»Hoppla. Herr Kriminalrat. Das war eine Weiche im Bahnhof Rodalben. Sie müssen sich gut festhalten, damit Sie uns nicht von der Maschine fallen. Ah, das Signal. Jetzt können wir wieder volle Fahrt aufnehmen …«
Der Lokführer betätigte den Regler und die Geschwindigkeit der Maschine nahm spürbar zu.
»Achtung, Herr Kriminalrat, gleich kommt der Neuhofer Tunnel mit seiner langen Kurve.«
Moser sah das Tunnelportal immer näher kommen und zuckte zusammen, als die Lok einen schreiartigen Pfiff ausstieß. Der Tunnelwärter stand neben seinem Haus und salutierte. Im Tunnel trat ein ohrenbetäubendes Singen von Metall auf. Der Lokführer meinte lapidar: »Die Schienen in der Kurve müssen die endlich nachschleifen. Es gibt immer noch zu viel Metallabrieb. Das habe ich dem Serini schon so oft gesagt!«
Der Kriminalrat konnte das Kreischen der Räder und Schienen, das innerhalb des Tunnels ein mehrfaches Echo hatte, kaum aushalten. Was würde das erst im wesentlich längeren Münchweiler Tunnel geben …
Man sah nichts außer Qualm, der in den Augen brannte und Moser war froh, als endlich das östliche Portal des Neuhofer Tunnels erreicht war. Er bemerkte, dass sein Gesicht, seine Hände und Kleidung rußverschmiert waren. Lokführer war wohl wirklich kein erstrebenswerter Berufswunsch.
Im Bahnhof Münchweiler musste D 895 kurz anhalten, um einen Gegenzug durchzulassen. Das neue zweite Gleis im Tunnel war noch nicht befahrbar.
Der kurze Halt, bei dem die Maschine verhältnismäßig moderate Geräusche von sich gab, stellte für Moser die Gelegenheit dar, sich endlich an den Lokführer zu wenden. Er sagte: »Herr Breith, ich nehme an, Sie wissen, in welcher Mission ich unterwegs bin?«
»Ja, die Direktion hat mich informiert. Man kann sich kaum vorstellen, dass es einer von uns gewesen sein soll, der in den Waffenschmuggel verwickelt war. Das Lokpersonal der Pfalzbahn ist eine eingeschworene, absolut integre Gemeinschaft. Für meine Kollegen lege ich meine Hand ins Feuer.«
»Wenn ich mir diesen Führerstand so betrachte, gäbe es auch kaum Platz, um die Teile des Gewehrs bis zum Abwurf unterzubringen. Man hätte sie allenfalls unter den Kohlen vergraben können. Aber auch dahinten ist alles nass. Das wäre den Gewehrteilen sicher nicht gut bekommen. Sagen Sie, ich wusste gar nicht, wie feucht es auf so einer Lok ist.«
»Sie können zufrieden sein, dass unsere ›Ludwig‹ schon ein kleines Dach über dem Führerstand hat. Was glauben Sie, wie nass es auf den alten Cramptons ist; dort steht das Personal im Freien. Aber diese alten Loks werden nach und nach ausgemustert. Sie haben ja in vierzig Jahren ihre Schuldigkeit getan.
Unsere ›Ludwig II‹ ist zwar auch nicht mehr ganz neu, sondern schon zwölf Jahre alt. Aber sie ist absolut zuverlässig und hat uns noch nie im Stich gelassen. Die Loks aus der Fabrik Grafenstaden im Elsass sind unverwüstlich. Diese Maschine ist eine von sechs, die damals in Grafenstaden gebaut wurden. Sehen Sie dort auf dem Typenschild: Unsere hat die Fabriknummer 2496. Vor einigen Jahren hat die Direktion bei Maffei in München neun weitere Maschinen der Type bauen lassen, weil diese 1-B-Schnellzuglokomotiven sich so gut bewährt haben. Nur mussten die nachträglich Dampfdome bei allen Loks der Gattung P 1.II. auf die Kessel setzen. Sonst sind die Maschinen absolute Spitzenprodukte.«
»Ja, wenn nur diese Geräusche und Stöße nicht wären. Man bekommt ja Kreuzweh von diesen Schlägen. Und erst das Schaukeln …«, meinte Moser.
»Tja, Herr Kriminalrat. Von den Stößen der Maschine bekommen die Fahrgäste in den Waggons kaum etwas mit, dafür das Personal vorne auf der Lok umso mehr. Aber man gewöhnt sich mit der Zeit daran. Außerdem verfügt unsere Maschine immerhin über eine Vorlaufachse, was entscheidend zur Milderung der Stöße beiträgt.
Es stimmt jedoch schon, ab sechzig Kilometer tänzelt unser ›König Ludwig‹ ganz schön über die Schienen, nicht wahr. Aufgrund der vielen Kurven auf dieser Strecke können wir nicht noch schneller fahren. Was glauben Sie, wie die Maschine erst bei Höchstgeschwindigkeit schlägt, stampft und schaukelt … Die Räder der beiden Treibachsen sind übrigens 185,5 Zentimeter hoch. Irgendwann werden die noch Räder konstruieren, die höher als zwei Meter sind. Da bin ich mir absolut sicher.«
»Man kommt sich fast vor wie auf einem Schiff. Nur wird man dort wohl nicht so dreckig«,
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