Moser Und Der Tote Vom Tunnel
1.-Klasse-Wagen.
Auf der Station Biebermühle angekommen, folgte der Kriminalrat dem Schild mit der Aufschrift ›Stationsvorsteher‹. Der Beamte war von der Direktion informiert und musterte Moser argwöhnisch. Er dachte: Da will also dieser Zwockel mit Lodenmantel, Hut und Stock auf einer Lokomotive mitfahren. Und dann noch dazu durch einen der längsten Tunnel in der Gegend. Der wird sich noch wundern …
Der Stationsvorsteher begleitete Moser zur Aufsichtsbude zwischen den Gleisen und sagte: »Der Schnellzug aus Metz fährt an Bahnsteig 3 ein. Sie müssen ganz vorne warten, wo die Lok zum Stehen kommt. Aber bedenken Sie, der Zug hat nur sehr kurzen Aufenthalt. Der Aufsichtsbeamte wird Sie hinter diese Absperrung dort am Ende des Bahnsteigs begleiten.«
In diesem Moment klingelte das Läutwerk neben der Aufsichtsbude. Der Stationsvorsteher schaute auf seine Taschenuhr und meinte: »Aha, D 895 aus Metz mit Kurswagen aus Saargemünd ist pünktlich, er hat gerade den Posten an der Schwarzbach passiert. Sie müssen sich beeilen!«
Der Aufsichtsbeamte, ein drahtiges kleines Männchen, dem seine Mütze anscheinend zu groß war, kam sich sehr wichtig vor, als er den Herrn aus München hinter die Absperrung des Perrons brachte. Kurze Zeit später lief der Zug mit quietschenden Bremsen ein.
Die Lok kam genau an der markierten Stelle zum Halten. Am Kessel war ein großes Schild mit der Aufschrift LUDWIG II montiert. Moser empfand es als unangenehm, dass die beiden großen Treibräder, vor denen er stand, höher als er selber waren.
Plötzlich befand sich der Kriminalrat in einer großen und feuchten Dampfwolke, er konnte die Lokomotive nicht mehr erkennen.
Moser hörte den Aufsichtsbeamten, der mittlerweile zu seiner Bude zurückgekehrt war, ausrufen: »Biebermühle, hier Biebermühle, der D-Zug fährt nach kurzem Aufenthalt weiter über Landau nach München. Die Reisenden haben sofortigen Anschluss zum Personenzug nach Pirmasens und zum Personenzug über Rodalben und Münchweiler nach Annweiler.«
Moser hatte sich noch immer nicht in der Dampfwolke zurechtgefunden, als er hörte: »Einsteigen bitte, der D-Zug nach München fährt sofort ab.« Die Lok zischte und stieß einen kurzen Pfiff aus.
Der Lokführer beugte sich aus dem Führerstand hinunter und fragte: »Na, Herr Kriminalrat, wollen Sie nicht zu uns hinaufkommen. Sonst fahren wir noch ohne Sie ab.«
»Das würde ich ja gerne, wenn Sie mir sagen, wie ich da hinaufklettern soll.«
»Sie müssen sich an den beiden Haltestangen am Tender und hier am Führerhaus festhalten und dann die Leiter hinaufklettern. Das ist ganz leicht. Ihren Stock können Sie mir schon mal nach oben geben.«
Moser klammerte sich an den ölverschmierten Haltestangen fest. Er hatte einige Mühe, die Leiter zum Führerstand zu erklimmen. Besonders die untere Sprosse lag sehr hoch über dem Schotter und Moser brauchte mehrere Ansätze, um seinen Fuß so weit nach oben zu bekommen.
Auf dem Führerstand angekommen, setzte sich das fauchende und zischende Ungetüm sofort mit einem Ruck in Bewegung.
Die Lokomotive schnaubte beim Anfahren kräftig, Moser dachte, der Takt der Treibstangen zerre das Fahrzeug von einer auf die andere Seite. Der gesamte Führerstand zitterte und bebte; der Kriminalrat stellte fest, dass es keinerlei Sitzmöglichkeiten gab und suchte verzweifelt nach Möglichkeiten, sich festzuhalten.
Die Maschine machte einen infernalischen Lärm; Moser verstand den Lokführer kaum. »So, Herr Kriminalrat, das haben Sie ja nun geschafft. Mein Name ist Breith und das ist unser Heizer, Herr Waldschmidt. Bin gespannt, wie Ihnen die Fahrt auf unserer ›König Ludwig‹ gefällt …«
Moser versuchte krampfhaft, sich irgendwo festzuhalten. Das war gar nicht so leicht, da er immer wieder dem Heizer im Weg stand, der pausenlos Kohlen nachschaufelte. Die Klappe der Brennkammer ging permanent auf und zu, vor dem Kessel war es brütend heiß. Dennoch erschien Moser die Luft auf dem Führerstand feucht von Wasser und Dampf. Überall quietschte es und roch nach heißem Maschinenöl.
Er kramte nach einem Taschentuch, um sich die ölverschmierten Finger halbwegs zu reinigen. Nach einer Weile hatte er sich an den enormen Geräuschpegel auf der Lokomotive gewöhnt und wollte mit dem Lokführer ein Gespräch anfangen. In diesem Moment wurde er jedoch durch eine unerwartete Bewegung der Maschine aus dem Gleichgewicht gebracht; er strauchelte gegen
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