Moskauer Diva
Furchtbaren!
Das Ungeheuer war natürlich auch im Saal. Khan Altaïrski war absichtlich zu spät gekommen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Er kam während ihres Tanzes herein und blieb demonstrativ an der Tür stehen; mit seiner quadratischen, klar umrissenen Gestalt sah er aus wie Mephistopheles. Im rötlichen Licht der kleinen Lampe über der Tür glänzte seine Glatze wie der blutrote Nimbus Satans. Nach den Regeln der »Arche Noah« wurde nach Beginn der Vorstellungniemand mehr eingelassen, und der schreckliche Mensch stand nicht lange an der Tür. Ein Saaldiener eilte herbei und bat den Verspäteten, den Saal zu verlassen. Elisa sah darin ein gutes Omen – nichts würde ihre Premiere verdüstern. Mein Gott, wie sehr sie sich irrte …
Nach der Vorstellung, während des Banketts, machte sie sich selbst ein Geschenk: Sie umarmte Erast, küsste ihn, nannte ihn »mein Lieber« und bat ihn leise um Verzeihung für das, was geschehen war. Er antwortete nicht, doch in diesem Augenblick liebte er sie – das spürte Elisa!
Alle liebten sie!
Und ihre flammende Rede über das Mysterium des Theaters, die sie aus dem Stregreif hielt, hatte unerhörten Erfolg. Die eigenen Schauspielerkollegen (und vor allem -kolleginnen) zu beeindrucken, das war einiges wert!
Als Schustrow sie bat, »auf ein wichtiges Gespräch« mit ihr hinauszugehen, wusste sie sofort: Er würde ihr eine Liebeserklärung machen. Und ging mit. Weil sie hören wollte, wie er das tun würde – dieser kluge, ausgeglichene Mann, vor dem selbst Stern katzbuckelte. Eine Rose hatte er ihr geschenkt, eine ganz besondere, technisch bearbeitete. Ein komischer Mensch!
Schustrow versetzte sie in Erstaunen. Von Gefühlen kein Wort. Kaum waren sie draußen auf dem Flur, platzte er heraus: »Heiraten Sie mich. Sie werden es nicht bereuen.« Und schaute sie mit seinen niemals lächelnden Augen an, als wolle er sagen: Wozu überflüssige Worte verlieren, die Frage ist gestellt, bitte nun Ihre Antwort.
Aber so einfach ließ sie ihn natürlich nicht davonkommen.
»Sie sind in mich verliebt?« Ein in den Mundwinkeln angedeutetes Lächeln, die Brauen ganz leicht gehoben. Als wolle sie gleich loslachen. »
Sie?
Wie Stanislawski sagen würde: ›Das glaube ich nicht!‹«
Schustrow, als befinde er sich auf einer Direktions- oder Aufsichtsratssitzung, ging ins Detail: »Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was gemeint ist, wenn von Liebe die Rede ist. Wahrscheinlich versiehtjeder diesen Begriff mit seinem eigenen Sinn. Aber gut, dass Sie fragen. Ehrlichkeit ist eine unabdingbare Voraussetzung für die lange, fruchtbare Zusammenarbeit, die man Ehe nennt.« Er wischte sich mit dem Taschentuch die Stirn. Offensichtlich fiel ein Gespräch über Gefühle dem Millionär nicht leicht. »Ich liebe am meisten das, was ich tue. Dafür würde ich mein Leben geben. Sie brauche ich als Frau und als große Schauspielerin. Zusammen können wir Berge versetzen. Ob ich für Sie mein Leben geben würde? Zweifellos. Ob ich Sie weiterhin lieben werde, wenn Sie für mein Unternehmen nicht mehr von Interesse sind? Das weiß ich nicht. Das sage ich Ihnen ganz ehrlich, denn ohne Ehrlichkeit …«
»Das mit der Ehrlichkeit haben Sie schon erklärt«, erwiderte sie, mit aller Kraft bemüht, nicht loszulachen. »Als Sie die Ehe definierten.«
Sie gingen den Flur der Schauspieleretage entlang, bis zu ihrer Garderobe waren es nur noch wenige Schritte.
»Ich biete Ihnen nicht nur mich selbst.« Schustrow nahm ihre Hand und blieb stehen. »Ich werde Ihnen die Welt zu Füßen legen. Sie wird uns gehören – mir und Ihnen. Sie wird die Welt lieben, und ich werde sie melken.«
»Wie – melken?« Sie glaubte, sich verhört zu haben.
»Wie eine Kuh. Und die Milch werden wir zusammen trinken.«
Sie gingen weiter. Elisas Stimmung schlug plötzlich um. Ihr war nicht mehr zum Lachen zumute. Sie mochte Schustrow auch nicht länger verspotten.
Was, wenn Gott ihn mir geschickt hat, dachte Elisa. Um mich vor einer schrecklichen Sünde zu bewahren. Schließlich bin ich drauf und dran, aus Egoismus das Leben eines verliebten Jungen aufs Spiel zu setzen. Schustrow ist kein grüner Junge. Er wird seine Verlobte zu schützen wissen.
Sie drehte am Türknauf und wunderte sich – die Garderobe war abgeschlossen.
»Wahrscheinlich hat der Putzmann sie verschlossen. Ich muss den Schlüssel vom Brett holen.«
Geduldig, anscheinend vollkommen gelassen wartete der Millionär auf eine Antwort.
»Es gibt eine
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