Moskauer Diva
baldige Heirat, und er wird totenblass, sagt ihr heiße, leidenschaftliche Worte. Und sie darauf: »Mein Lieber, mein unendlich Geliebter, wenn Sie nur wüssten …« und Schluss, Pause. Dann nur noch zitternde Lippen, eine Träne in den Wimpern, Schmerz in den Augen und ein Lächeln auf den Lippen. Elisa schaute sogar in den Spiegel, wie das aussehen würde. Ja, das war stark. Die Schauspielerhälfte ihrer Seele hielt diesen Gesichtsausdruck für künftige Gelegenheiten fest. Aber der Schmerz war echt, die Tränen erst recht.
Mein Gott, wie lange er weg gewesen war! Diese Liebe hatte sie sich nur eingebildet, es hatte sie nie gegeben. Wenn ein Mann liebt, muss er doch fühlen, dass du ihn verzweifelt, ja wahnsinnig dringend brauchst. Egal, was du sagst oder wie du dich verhältst. Worte sind doch nur Worte, Handlungen dagegen oft impulsiv.
Es konnte nur eine Erklärung geben. Er liebte sie nicht und hatte sie nie geliebt. Alles war ganz trivial. Wie Serafima es ausdrückte: »Die Männer wollen von unsereins doch nur das eine.« Das hatte dieser Herr Fandorin bekommen, er hatte seine männliche Eitelkeit befriedigt, der Liste seiner Eroberungen eine berühmte Schauspielerinhinzugefügt, und mehr wollte er nicht. Kein Wunder, dass er die Nachricht von ihrer bevorstehenden Heirat erleichtert aufgenommen hatte.
Es war dumm gewesen, auf seine Rückkehr zu warten, als hätte das etwas ändern können. Sie brauchte nur daran zu denken, wie Erast sich an jenem schrecklichen Abend verhalten hatte, an dem Limbach gestorben war. Kein Wort der Anteilnahme, keine zärtliche Berührung, nichts. Ein paar seltsame Fragen in kaltem, unfreundlichem Ton. Und dann vor der Probe …. Sie war voller Zärtlichkeit gewesen, ganz und gar offen für ihn, doch er hatte sich ihr nicht einmal genähert.
Zweifellos verurteilte er sie, genau wie viele andere. Glaubte, dass sie dem armen Jungen aus Koketterie den Kopf verdreht und er deshalb Hand an sich gelegt hatte.
Das Schlimmste war, dass sie die Wahrheit nicht erzählen durfte. Niemandem. Schon gar nicht dem Mann, an dessen Meinung und Mitgefühl ihr am meisten lag …
Dshingis Khans vierter Schlag war der grausamste gewesen.
Den Tod des Impresarios Furschtatski und den des Tenors Astralow hatte Elisa nicht mit eigenen Augen gesehen. In die Garderobe mit dem toten Smaragdow hatte sie zwar hineingeschaut, aber noch nicht geahnt, dass er vergiftet worden war. Doch diesmal hatte sie den Tod – einen gewaltsamen, brutalen Tod – in seiner ganzen blutigen Abscheulichkeit und gnadenlosen Plötzlichkeit aus nächster Nähe gesehen. Was für ein Anblick! Und der Geruch, dieser übelkeitserregende feuchte Geruch nach eben erst ausgelöschtem Leben! So etwas vergisst man nicht.
Mit welcher Grausamkeit Khan den Zeitpunkt gewählt hatte! Als habe Satan selbst ihm geflüstert, dass er sie am meisten traf, wenn sie voller Lebensfreude war, festlich erregt, offen für die ganze Welt.
Eine Premiere ist ein besonderer Tag. Wenn ein Stück erfolgreich ist, du gut gespielt hast und das Publikum ganz dir gehört hat – das ist mit nichts zu vergleichen, mit keinem anderen Genuss. Sich grenzenlos geliebt zu fühlen, grenzenlos begehrt! An jenem Abend hatte sich Elisa gefühlt wie ihre japanische Heldin, wie ein am Himmel schwebender Komet.
Sie ging ganz auf in ihrer Rolle, doch zugleich führten ihre Augen und ihre Ohren ein Eigenleben und beobachteten das Publikum. Elisa sah alles – sogar etwas, das eigentlich unsichtbar war: die schillernden Wellen der Anteilnahme und Begeisterung, die über den Reihen wogten. Sie sah auch Erast, der in der Ehrenloge saß. Solange Elisa auf der Bühne stand, schaute er fast ununterbrochen durch sein Fernglas, und das erregte sie noch mehr. Sie wollte für alle schön sein, doch für ihn mehr als für jeden anderen. In solchen Augenblicken fühlte Elisa sich wie eine Zauberin, die ihre unsichtbare Magie in den Saal schickt – und das war sie auch.
Ihre ständigen Verehrer sah sie ebenfalls. Einige waren eigens zur Premiere aus Petersburg angereist. Aber Limbach war nicht da. Das fand sie seltsam. Wahrscheinlich saß er wieder einmal im Arrest. Wie unpassend! Sie war sicher gewesen, dass der Kornett sie heute beglückwünschen würde, und dann hätte sie sich mit ihm verabreden können. Nicht zu einem Rendezvous, sondern zu einem ernsten Gespräch. Wenn er so ein Paladin und Ritter war, sollte er die Dame seines Herzens vom Drachen befreien, von Ippolit dem
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