Moskauer Diva
Chronometer in der Schatulle. »Die habe ich ganz vergessen. Habe ich etwa nicht für die Liebe gekämpft? Habe ich nicht die Dreisten niedergerungen, die sich zwischen mich und meine Schöne Dame stellten? Aber sie hat mich abgewiesen. Sie wollte sich nicht auf dem Lager des Lebens mit mir vereinen. Also vereinen wir uns auf dem Lager des Todes! Dies hier ist nicht nur mein Soloabend, sondern auch eine Hochzeit! Setz dich, du halbe Portion von einer Frau!«, schrie er die Durowa an. »Du beleidigst durch deinen Anblick die letzten Minuten unseres Daseins. Aber du, kalte Göttin, komm her! Schneller, schneller! Nur noch vier Minuten!«
Den Blick auf die Mündung der auf sie gerichteten Bayard gerichtet, stand Elisa auf. Hilflos schaute sie zu Fandorin.
»Schnell«, flüsterte der. »Sonst schießt dieser P-psychopath.«
Sie wusste nicht, wie sie auf die Bühne gelangt war, als sie sich neben Dewjatkin setzte. Unten, direkt vor ihren Augen, leuchteten die Zahlen der Uhr. 11:08 – und rasch wechselnde Sekunden.
»Im letzten Augenblick werde ich Ihre Hand nehmen«, sagte der Assistent leise. Er roch stark nach einem blumigen Parfüm. »Haben Sie keine Angst. Die wahren Kometen – das sind wir beide.«
Nun begann Elisa richtig zu zittern.
»Hören Sie, Sie K-Künstler des Bösen«, sagte Fandorin laut, nachdem er dem Japaner etwas zugeflüstert hatte. »Ihre Arithmetik hinkt. Die Schönheit des Soloabends hat einen Makel. Wir hier unten sind nicht elf, sondern zwölf. Einer ist zuviel. Lassen Sie mich gehen.«
Dewjatkin runzelte die Stirn.
»Daran habe ich nicht gedacht. Ja, Sie sind der Zwölfte. Ein Autor hat hier nichts verloren. Ich selbst bin der Autor diesesStückes mit dem Titel »Apokalypse«. Gehen Sie. Durch die Kulissen. Und berichten Sie allen von meinem Soloabend!« Er drohte dem auf die Bühne eilenden Fandorin mit der Pistole. »Aber keine Tricks. Wenn Sie sich beeilen, schaffen Sie es noch.«
»D-danke.«
Und der Mann, den Elisa so leidenschaftlich, so unbeholfen liebte, rannte davon, so schnell er konnte. Wer hätte gedacht, dass er sich so unwürdig und kläglich verhalten würde! Die Welt um sie herum schien aus den Angeln geraten. Ihr lächerliches und unbegreifliches Leben endete genau so: lächerlich und unbegreiflich.
Zwei mal elf
Die zehnte Minute nach elf brach an. Der Regisseur der Apokalypse saß mit einem seligen Lächeln auf den Lippen da, eine Hand auf dem Knopf. Die andere hielt die Pistole umklammert.
»Wie schön, was für ein Glück«, sagte der Verrückte immer wieder. »Und Sie sind bei mir! Noch ein wenig, nur noch anderthalb Minuten …«
Sie saßen nebeneinander auf Strohmatten, auf japanische Art.
Noah Nojewitsch öffnete den Mund, brachte aber kein Wort heraus. In den letzten Augenblicken des Lebens versagte seine übliche Beredsamkeit.
Der Intrigant und die Intrigantin heulten, einander in den Armen haltend.
Die arme Durowa, willenlos zusammengekrümmt, sah aus wie eine weggeworfene Stoffpuppe.
Rasumowski versuchte, die Hand der Reginina zu nehmen und schien um Verzeihung zu bitten, doch sie stieß ihn zurück – sie verzieh ihm nicht.
Die Klubnikina probierte es mit einem koketten Lächeln.
»George, das war doch nur ein Scherz, nicht? Es gibt keine Bomben? Sie wollten uns nur erschrecken?«
Die arme Muntere! Frauen dieser Art sind so voller Leben, dass sie sich den eigenen Tod einfach nicht vorstellen können.
Lowtschilin stand auf, das lebhafte Gesicht weinerlich verzogen.
»George, lass mich gehen! Ich wollte nie zu den Ersten gehören! Wenn du die Neun bist, dann bin ich höchstens eine Sechs!«
»Das geht nicht«, erwiderte Dewjatkin. »Ohne Narren ist die Welt unvollständig. Setz dich wieder hin!«
Elisa war verblüfft, dass Wassja Prostakow als Einziger kurz vor dem Ende betete. Die Augen geschlossen und die Hände gefaltet, bewegte er die Lippen.
»Das ise nich gut«, sagte Masa plötzlich. Er presste das blutgetränkte Taschentuch auf seine Wunde. »Wenn schon sterben, dann schön. Abeh Sie haben zuwei Nullen.«
»Wieso zwei Nullen?«, fragte Dewjatkin, die Stirn gerunzelt.
»Sekunden. Es müssen elf sein.«
George schaute auf die elektrische Uhr.
»Dann sind es keine elf Einsen«, wandte er ein. »Obwohl – zwei Nullen, das ist wirklich nicht sehr – das stimmt.«
»Dann sind es deleizehn Einsen. Das ise noch besser. Die schönste Zahl. Und deleizehn pluse neun sind zuweiundzuwanzig. Zuwei mal elf – das ise zuweimal
Weitere Kostenlose Bücher