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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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besser!«
    »Tatsächlich!« George strahlte. »Die Japaner verstehen etwas von Schönheit! Elf Sekunden ändern nichts. Ich stelle die Uhr gleich um!«
    Dann habe ich auch noch Zeit zum Beten, dachte Elisa. Vater unser, der du bist im Himmel …
    Sie richtete die Augen nach oben. Natürlich rechnete sie nicht damit, den Himmel zu sehen. Sie sah die leicht schwankende samtene Deckenabhängung, den dunklen Schnürboden und die schwarze Treppe der Galerie, von der Seile herabhingen. Was sollteeine Schauspielerin, die Abschied nahm vom Leben, auch sonst sehen?
    Hergott, was war das?
    An einem der Seile, an denen die Dekorationen befestigt wurden, direkt über den Köpfen von Dewjatkin und Elisa, glitt, sich rasch mit den Händen hinunterhangelnd, Fandorin herab. Binnen zwei Minuten war er die Treppen hinauf und in die Mitte des Schnürbodens gelaufen und ließ sich nun am Seil herab. Aber warum? Er könnte außer Gefahr sein, stattdessen würde er nun zusammen mit ihnen allen sterben! In den verbleibenden Sekunden würde er es nicht bis unten schaffen. Und selbst wenn – Dewjatkin würde einfach den Knopf drücken, er war ja auf der Hut!
    Elisas Gebet blieb unvollendet.
    Der Soloakteur nahm den Finger vom Knopf und drehte am Rädchen des Zifferblatts, um die Sekunden auf 11 zu stellen. Er bewegte einen kleinen Hebel, vermutlich, um die Detonationszeit zu verändern. In diesem Augenblick sprang Fandorin aus einer Höhe von mehreren Sashen herunter und stürzte direkt auf Dewjatkin. Elisa hörte es knacken, wurde zur Seite geschleudert, und als sie sich aufrichtete, lagen neben ihr zwei reglose Körper, einer auf dem anderen. Im mittleren Fenster der Uhr leuchteten zwei Einsen, doch die Sekunden blinkten noch.
    11:01, 11:02, 11:03, 11:04 …
    Mit einem kehligen Schrei kam Gasonow auf die Bühne gestürmt. Er schwankte, konnte sich nicht auf den Beinen halten und stürzte.
    »Die Kabel!«, rief er. »Elisa-san, die Kabel!«
    »Was?«, fragte sie verwirrt, wie gebannt auf die blinkenden Ziffern starrend.
    11:05, 11:06, 11:07…
    Über den Boden kriechend wie eine Krabbe, überwand der Japaner die Türschwelle zum Haus der Geisha, rollte über die Strohmattenund riss mit voller Kraft die Schatulle an sich. Die Kabel rissen, das Tableau erlosch, von der Saaldecke sprühten Funken herab.
    »Scheluss«, sagte Gasonow, legte sich auf den Rücken und kniff die Augen zusammen. Ihm war vermutlich schwindlig. »Der schöne Tod muss wahten. Erst das schöne Leben.«
    Es gibt keine Explosion. Wir sind gerettet, dachte Elisa. Und heulte los. Was nützte das, wenn er, er tot war?! Besser, sie wären zusammen gestorben, unter Getöse und in Flammen!
    »Erast Petrowitsch … Er hat uns alle gerettet und ist nun tot, tot …«, stöhnte sie.
    Masa öffnete die Augen und setzte sich auf. Er schaute seinen auf dem Bauch liegenden Herrn an. Und widersprach beleidigt: »Ich habe alle gelettet. Meine Herr hat mih geholfen. Eh hat nuh gesagte: ›Masa,
djuitibo
! Masa, elf Sekunden!‹ und is wegegelaufen. Und ich musste Kopf zehbelechen, was er wollte. Dabei ise meine Kopfe schon kaputt und tute weh. Denken fällt schewer. Aber ich habe verstanden!«
    »Was spielt es für eine Rolle, wer uns alle gerettet hat … Er ist tot! Er ist aus so großer Höhe gestürzt!«
    Auf Knien kroch sie zu dem Geliebten, schmiegte sich an seinen Rücken und weinte.
    Gasonow berührte ihre Schulter.
    »Lassen Sie mi bitte, Elisa-san.«
    Sanft schob er Elisa beiseite. Er tastete den Liegenden ab und nickte zufrieden. Er drehte Fandorin auf den Rücken. Erast Petrowitschs Gesicht war blass und reglos, unerträglich schön. Elisa biss sich in die Hand, um nicht vor Kummer laut aufzuheulen.
    Der Japaner aber behandelte den gefallenen Helden recht respektlos. Er drückte mit einem Finger auf seinen Hals und blies ihm in die Nase.
    Fandorins lange Wimpern zitterten, die Lider öffneten sich. Dieblauen Augen schauten Masa an – erst gleichgültig, dann erstaunt. Erast Petrowitsch stieß den Japaner von sich.
    »Was erlaubst du d-dir?!«, rief er und blickte sich um.
    Ein Wunder war geschehen! Er lebte, lebte!
    Gasonow schüttelte tadelnd den Kopf und sagte etwas zu ihm. Fandorin wurde verlegen.
    »Masa sagt, ich hätte verlernt, aus großer Höhe zu springen. Ich hätte das zu lange nicht t-trainiert. Er hat recht. Die Knochen sind heil, aber durch den Aufprall habe ich das Bewusstsein verloren. Beschämend. Und was macht unser Künstler des Bösen?«
    Zusammen mit

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