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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Auch eine Exhumierung und eine nochmalige Untersuchung wären möglich.«
    »Ich glaube Ihnen«, sagte Elisa leise. »Ihnen glaube ich. Aber Tatsache bleibt: Diese Menschen wurden meinetwegen getötet. Das ist schrecklich!«
    »Lesen Sie Dostojewski, gnädige Frau. Schönheit ist ein schreckliches,furchtbares Ding.« Er sprach absichtlich kühler – um seine Sentimentalität zu verbergen. »Die einen bringt sie dazu, nach Höherem zu streben, die anderen treibt sie geradewegs in die Hölle. Der Größenwahn hat Dewjatkin auf den Weg der Selbstzerstörung geführt. Aber hätten Sie die Gefühle des Wahnsinnigen erwidert, hätte er nicht mehr die Welt b-beherrschen wollen. Er wäre allein mit Ihrer Liebe zufrieden gewesen. Genau wie ich …«
    Der letzte Satz entfuhr ihm unwillkürlich. Fandorin hatte endlich Elisa in die Augen geschaut – und das, wozu er erst nach einer langen Einleitung hatte kommen wollen, rutschte ihm nun ganz von selbst heraus. Für einen Rückzug war es zu spät. Doch ohne Diplomatie und taktische Präludien war es sogar besser.
    Erast Petrowitsch holte tief Luft und sprach dann – nicht wie ein unreifer Jüngling, sondern wie ein Mann.
    »Erinnern Sie sich, dass ich sagte, ich sei in Sie verliebt? Also, ich habe mich geirrt. Ich liebe Sie«, sagte er finster, beinahe anklagend und machte eine Pause, um ihr die Möglichkeit zu einer Reaktion einzuräumen.
    Sie rief: »Ich weiß! Ich weiß!«
    Fandorin, der nun einmal einen nörglerischen Ton angeschlagen hatte, blieb dabei.
    »Hervorragend, dass Sie das wissen. Aber ich hatte gehofft, etwas anderes von Ihnen zu hören. Zum Beispiel: ›Ich Sie auch.‹«
    »Ich liebe Sie auch, die ganze Zeit schon!«, rief Elisa sogleich unter Tränen. »Ich liebe Sie wahnsinnig, bis zur Verzweiflung!«
    Sie streckte die Arme nach ihm aus, doch Erast Petrowitsch widerstand der Versuchung. Er musste erst alles sagen, was er sich vorgenommen hatte.
    »Sie sind Schauspielerin, Sie müssen immer übertreiben. Das sage ich ohne jeden Tadel. Ich nehme Sie so, wie Sie sind. Und ich hoffe auf das Gleiche von Ihrer Seite. Ich bitte Sie, hören Sie mich zu Ende an, und dann entscheiden Sie.«
    Bis jetzt hatte Fandorin gestanden. Nun setzte er sich auf die andere Seite des Tisches, als wolle er zwischen ihnen eine Grenze ziehen, die nur unter bestimmten Bedingungen zu überschreiten war, die erst ausgehandelt werden müssten.
    »Ich lebe schon lange auf der Welt. Ihnen gegenüber habe ich mich benommen wie der letzte N-narr … Widersprechen Sie mir nicht, hören Sie mir einfach zu«, bat er, als sie den Kopf schüttelte und die Schultern hob. »Ich wusste ja von Anfang an, worauf ich rechnen kann und worauf nicht. Sehen Sie, einer Frau steht immer ins Gesicht geschrieben, ob sie zu großer Liebe fähig ist oder nicht. Wie sie sich verhalten wird, wenn das Leben sie vor die Wahl stellt: zwischen dem Geliebten und sich selbst, zwischen dem Geliebten und Kindern, zwischen dem Geliebten und einer Idee.«
    »Und wie würde ich mich Ihrer Meinung nach entscheiden?«, fragte Elisa schüchtern.
    »Sie würden sich für Ihre Rolle entscheiden. Und genau das gefällt mir an Ihnen. Wir beide sind aus dem gleichen Holz geschnitzt. Auch ich würde mich für meine Rolle entscheiden. Meine Rolle spiele ich zwar nicht auf der Bühne, aber das ist egal. Darum schlage ich Ihnen einen ehrlichen Bund vor, ohne Lüge und Selbstbetrug. Eine Ehe aus Berechnung.«
    »Dasselbe hat mir Schustrow vorgeschlagen«, sagte sie zusammenzuckend.
    »Möglich. Aber unser beider Berechnung beruht nicht auf Kommerz, sondern auf Liebe. Unternehmerisch ausgedrückt, schlage ich Ihnen eine Liebe mit beschränkter Haftung vor. Verziehen Sie nicht das Gesicht! Wir lieben uns, wir wollen zusammen sein. Aber in der Liebe sind wir beide Invaliden. Ich bin nicht bereit, Ihretwegen auf meinen Lebensstil zu verzichten. Sie würden meinetwegen nicht die Bühne aufgeben. Und wenn doch, würden Sie es bald bereuen und unglücklich werden.«
    Offenbar war es ihm gelungen, ihren gewohnten Hang zuAffektiertheit zu brechen. Elisa hörte ihm ernst und aufmerksam zu – sie rang nicht die Hände und mimte keinen vor Liebe strahlenden Blick.
    »Wissen Sie, ich glaube, wir passen ideal zusammen«, kam Fandorin zum zweiten, nicht minder heiklen Punkt. »Ich bin ein reifer Mann, Sie sind eine reife Frau. Es gibt eine alte chinesische Formel, nach der man den richtigen Altersunterschied zwischen Mann und Frau zum Zeitpunkt ihrer

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