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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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erschienen sind, bin ich hergekommen. Es gibt zwei Themen, über die wir beide uns aussprechen müssen.«
    Bestimmt hat er eben noch Elisa gesehen, war alles, was Fandorin dachte, als er den Assistenten erblickte. Und er fragte: »Ist die Probe denn schon zu Ende?«
    »Nein. Aber Herr Stern hat alle weggeschickt, bis auf die Hauptdarsteller. Frau Lointaine und Ihr Adoptivsohn proben die Liebesszene. Ich hätte bleiben können, aber ich zog es vor zu gehen. Er entwickelt allzu großen Eifer, Ihr Japaner. Das kann ich schwer mit ansehen.«
    Das war für Erast Petrowitsch ein schmerzhaftes Thema, und er verzog das Gesicht.
    »Was macht Ihnen das denn aus?«
    »Ich liebe Frau Lointaine«, erklärte Dewjatkin ganz ruhig, als konstatiere er eine längst bekannte Tatsache. »Wie viele andere. Darunter auch Sie. Und darüber wollte ich mit Ihnen reden.«
    »Nun, k-kommen Sie herein …«
    Sie setzten sich in den Salon. George hielt sich kerzengerade und legte die Handschuhe nicht aus der Hand. Als wolle er mich erneut zum Duell fordern, dachte Fandorin abwesend und spöttisch.
    »Ich höre. F-fahren Sie fort.«
    »Sagen Sie mir, hegen Sie ehrliche Absichten in Bezug auf Frau Lointaine?«
    »Ehrlicher g-geht es nicht.«
    Ich will sie nie mehr wiedersehen und versuchen, sie zu vergessen, ergänzte er in Gedanken.
    »Dann habe ich einen Vorschlag, von Gentleman zu Gentleman. Lassen Sie uns verabreden, im Kampf um ihre Hand nicht zu niederen, ehrlosen Mitteln zu greifen. Mag sie sich mit dem Würdigeren in einer vom Himmel gesegneten Ehe vereinen!« Getreu seiner Liebe zu Höherem richtete der Assistent seinen Blick auf den Kronleuchter, dessen japanische Glöckchen sich im Luftzug leicht bewegten. Ding-ding, klingelten sie zart.
    »B-bitte sehr. Warum nicht.«
    »Großartig! Geben Sie mir Ihre Hand! Aber denken Sie daran: Sollten Sie unsere Abmachung brechen, werde ich Sie töten.«
    Fandorin zuckte die Achseln. Derartige Drohungen hatte er schon von gefährlicheren Widersachern zu hören bekommen.
    »Gut. Damit ist das erste Thema erledigt, wir werden nicht mehr darauf zurückkommen.«
    »Und was ist das zweite Thema?«
    »Der Mord an Ippolit. Die Polizei ist untätig. Wir beide müssen den Täter finden.« George beugte sich vor und zerrte kampflustig an seinem Schnurrbart. »Ich bin in solchen Dingen noch ungeschickter als Sie.« (Erast Petrowitsch runzelte die Stirn.) »Aber ich kann dennoch von Nutzen sein. Zu zweit wäre es leichter. Ich bin bereit, Ihr Assistent zu sein, diese Funktion ist mir vertraut.«
    Danke, aber ich habe schon einen Assistenten, hätte Fandorin noch vor ein paar Tagen entgegnet, nun aber sagte er dumpf:
    »Gut. Ich werde daran denken.«
     
    Zu den Leiden wegen der Trennung von der Geliebten kam noch ein weiteres, nicht weniger schweres: Der Riss im Verhältnis zu Masa,dem einzigen Menschen, der ihm nahestand. Seit dreiunddreißig Jahren waren sie unzertrennlich gewesen, hatten zusammen Tausende Prüfungen überstanden und waren daran gewöhnt, sich in allem aufeinander zu verlassen. Doch in den letzten Tagen verspürte Erast Petrowitsch einen ständig wachsenden Unmut gegen seinen Freund.
    Begonnen hatte das am 15., am Tag, als das Stück gelesen wurde. Fandorin hatte Masa ins Theater mitgenommen, um Stern zu beeindrucken. Wenn man mit Theaterleuten zu tun hat, muss man theatralisch vorgehen. Hier haben Sie ein Stück über Japan, und hier als Beigabe einen echter Japaner, der Sie in jeder beliebigen Frage beraten kann.
    Erast Petrowitsch hatte vorausgesehen, dass der Regisseur sich fragen würde, woher er den Darsteller für die männliche Hauptrolle nehmen sollte – er musste jonglieren können, auf einem Seil laufen und diverse akrobatische Tricks beherrschen –, und nicht daran gezweifelt, dass es keinen solchen Schauspieler gab und Stern gezwungen sein würde, die Rolle dem Autor selbst zu geben. Im Grunde hatte Fandorin die Rolle für sich geschrieben. Sie war ohne Text, damit das verfluchte Stottern nicht störte; er musste sein Gesicht nicht zeigen (nur ein einziges Mal, ganz am Ende); und vor allem – es gab eine Liebesszene mit der Hauptheldin. Die Vorstellung, wie er Elisa umarmen würde, hatte bei dem Autor einen mächtigen Inspirationsschub ausgelöst.
    Und was war passiert? Die Rolle hatte der Japaner bekommen! Seine runde, schlitzäugige Physiognomie war dem Regisseur interessanter erschienen als das Gesicht von Erast Petrowitsch. Und Masa, der Mistkerl, hatte die Frechheit

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