Moskauer Diva
an der Seite ist ein Rädchen, da kann man sie stellen, wenn sie nach- oder vorgeht. Jetzt sind innen viele Drähte, aber die baue ich dann wieder aus, und die Schatulle kann für kosmetische Zwecke benutzt werden. Betrieben wird die Uhr mit einem ganz normalen elektrischen Stecker.«
Elisa bedachte den erröteten Dewjatkin mit einem zärtlichen Lächeln.
»Danke, George. Das ist sehr lieb.« Sie sah Fandorin an. »Sie haben doch nichts dagegen, wenn das Stück mit einer Illumination endet? Herr Dewjatkin hat sich solche Mühe gegeben.«
»W-wie Sie wünschen. Mir ist alles gleich.«
Erast Petrowitsch wandte den Blick ab. Warum schaute sie ihn so bittend an? Etwa wegen dieser Lappalie? Vermutlich war es nichts weiter als das übliche affektierte Schauspielerinnen-Gehabe – wenn schon bitten, dann mit Tränen in den Augen. Dabei will sie nur dieBemühungen eines weiteren Verehrers anstacheln. Sie braucht es doch, dass alle sie lieben – einschließlich »Pferde, Katzen und Hunde«.
Was die Schlussszene anging, so war es ihm wirklich gleichgültig. Er würde der Premiere nur zu gern fernbleiben, und das keineswegs aus Scheu. Erast Petrowitsch hoffte nach wie vor, dass das Stück mit Pauken und Trompeten durchfiel. Wenn die Zuschauer auch nur einen Bruchteil jenes Abscheus empfanden, den dieses kitschige Liebesmelodrama jetzt bei seinem Autor auslöste, war der Misserfolg garantiert.
Aber leider, leider.
Die Premiere der »Zwei Kometen«, die genau zwei Monate nach der ersten Lesung des Stücks stattfand, wurde ein Triumph.
Das Publikum war begeistert von der Exotik des
Karyukai
, der Welt der Blumen und Weiden, wie die märchenhafte Welt der Teehäuser in Japan heißt, wo sagenhaft elegante Geishas anspruchsvolle Klienten mit ephemeren, nicht sinnlichen Genüssen verwöhnen. Das Bühnenbild war wunderschön, die Darsteller, die mal wie Marionetten, mal wie lebendige Menschen agierten, waren großartig. Das geheimnisvolle Trommeln und der honigsüße Sprechgesang des Erzählers umgarnten und elektrisierten die Zuschauer. Elisa war glänzend – anders konnte man es nicht ausdrücken. Im Schutz der Dunkelheit inmitten von tausend Zuschauern konnte Fandorin sie ungehindert anschauen und die verbotene Frucht in vollen Zügen genießen. Ein seltsames Gefühl! Sie war ganz fremd, und zugleich sprach sie seine Worte und gehorchte seinem Willen, denn das Stück hatte ja er geschrieben!
Die Altaïrskaja-Lointaine wurde gefeiert, nach jeder Szene mit ihr riefen die Zuschauer »Bravo, Elisa!«, noch größeren Erfolg aber hatte der unbekannte Schauspieler, der den verhängnisvollen Mörder spielte. Im Programmheft stand lediglich »Der Unhörbare– Herr Gasonow 8 – so hatte Masa seinen japanischen Familiennamen Shibata übersetzt, der aus den beiden Schriftzeichen für »Wiese« und »Feld« bestand. Seine akrobatischen Pirouetten (die er nach Fandorins voreingenommener Meinung höchst mittelmäßig ausführte) lösten bei dem mit derartigen Tricks nicht eben verwöhnten Publikum Begeisterungsstürme aus. Und als der Ninja, wie in der Geschichte vorgesehen, am Ende die Maske abnahm und sich als echter Japaner entpuppte, tobte der Saal. Damit hatte niemand gerechnet. Masa strahlte und glänzte im Scheinwerferlicht wie ein goldener Buddha.
Auch Dewjatkins elektrotechnische Erfindung beeindruckte das Publikum. Als erst das Licht erlosch und dann hoch über den Köpfen zwei Kometen erstrahlten, ging ein Aufseufzen durch das Theater. Das ganze Parkett leuchtete weiß, weil alle Gesichter zur Decke gerichtet waren, was ebenfalls ein interessanter Effekt war.
»Genial! Stern hat sich selbst übertroffen!«, sagten in der Direktorenloge, in der Fandorin saß, wichtige Kritiker. »Wo hat er diesen wundervollen Asiaten her? Und wer ist dieser »E. F.«, der das Stück geschrieben hat? Bestimmt ein Japaner. Oder ein Amerikaner. Unsere Autoren bringen so etwas nicht zustande. Stern hält den Namen absichtlich geheim, damit ihm andere Theater den Autor nicht wegschnappen. Und was sagen Sie zu der Liebesszene? An der Grenze zum Skandalösen, aber sehr stark.«
Die Liebesszene hatte Erast Petrowitsch nicht gesehen. Er hatte den Blick gesenkt und gewartet, bis die Zuschauer nicht mehr schnauften und schluckten. Die widerlichen Laute waren sehr gut zu hören, denn im Saal herrschte schockierte Stille.
Der Applaus dauerte eine ganze Ewigkeit. Im Saal ertönten unsichere Rufe nach dem Autor. Niemand wusste, ob er überhaupt
Weitere Kostenlose Bücher