Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
Vom Netzwerk:
anwesend war. Mit Stern war abgesprochen, dass Fandorin nichtauf die Bühne kommen würde. Nach einer Weile verstummten die Rufe der Zuschauer. Auch ohne den Autor gab es genug Helden, die das Publikum feiern und mit Blumen überhäufen konnte.
    Fandorin betrachtete durch ein Opernglas Elisas glückstrahlendes Gesicht. Ach, wenn sie ihn doch nur ein einziges Mal so anschauen würde, dann wäre alles andere ohne Bedeutung … Masa verbeugte sich zeremoniell tief und warf gleich darauf wie ein altgedienter Erster Held Luftküsse in den Saal.
    Damit waren die Prüfungen nicht vorbei. Fandorin musste noch das Bankett hinter den Kulissen durchstehen – ein Fernbleiben war völlig ausgeschlossen.
    Das verdorbene Bankett
    Auch als das Publikum gegangen und der Lärm in der Garderobe verstummt war, stand er noch lange rauchend im Foyer. Schließlich stieg er nach einem tiefen Seufzer hinauf in die Schauspieleretage.
    Er ging durch den dunklen Flur mit den vielen Türen. Plötzlich verspürte er das unbändige Bedürfnis, die Garderobe zu sehen, in der Elisa sich auf ihren Aufritt vorbereitete, wo sie sich in ihre Bühnenfigur verwandelte: Vor dem Spiegel sitzend, schlüpft sie wie ein
Kitsune
von einer Gestalt in eine andere. Vielleicht würde der Anblick des Raumes, den sie für ihre Metamorphosen benutzte, ihm helfen, ihr Geheimnis zu verstehen?
    Er schaute sich um, ob jemand in der Nähe war, und zog an dem Messingknauf, doch die Tür war abgeschlossen. Merkwürdig. Soviel Fandorin wusste, schlossen die Schauspieler der »Arche« ihre Garderoben normalerweise nicht ab. Dieser kleine Umstand erschien Fandorin symbolisch. Elisa ließ ihn nicht in ihre geheime Welt, er durfte nicht einmal einen kurzen Blick hineinwerfen.
    Kopfschüttelnd ging er weiter. Die meisten Garderoben waren nicht verriegelt, die Türen standen sogar ein Stück offen; die letztewar zwar geschlossen, doch als er am Knauf drehte, ging sie sofort auf.
    Fandorins staunende Augen erblickten etwas, das an die bei Ausländern so beliebten unanständigen Shunga-Bilder erinnerte. Auf dem Fußboden, zwischen Schminktischen und Spiegeln, war Masa, in der schwarzen, enganliegenden Ninja-Jacke, aber ohne den unteren Teil des Kostüms, konzentriert dabei, Serafima Klubnikina, die im Stück die Geisha-Schülerin spielte, in ihren Kimono zu wickeln.
    »Oh!«, rief die Muntere und sprang auf, ihre Kleider ordnend. Erast Petrowitsch hatte nicht den Eindruck, dass sie sehr verlegen war. »Herzlichen Glückwunsch zur Premiere.«
    Dann raffte sie ihren Saum und schlüpfte zur Tür hinaus. Der Japaner sah ihr bedauernd nach.
    »Brauchen Sie mich, Herr?«
    Fandorin fragte: »Du hast also eine Romanze mit der Klubnikina, nicht mit …« Er sprach nicht zu Ende.
    Masa stand auf und sagte philosophisch: »Nichts verdreht einer Frau mehr den Kopf als großer Erfolg. Früher hat dieses schöne Mädchen keinerlei Interesse an mir gezeigt, aber seit mir tausend Menschen Beifall geklatscht und zugejubelt haben, sieht Sima-san mich so an, dass es dumm und unhöflich wäre, das ohne Folgen zu lassen. Im Saal haben mich viele Frauen genauso angeschaut«, schloss er, sich befriedigt im Spiegel betrachtend. »Einige haben gesagt: ›Wie schön er ist! Ein echter Buddha!‹«
    »Zieh deine Hosen an, Buddha.«
    Fandorin ließ den frischgebackenen Star weiter seine unwiderstehliche Schönheit bewundern und seine Kleider ordnen und ging weiter. Masa war ihm wirklich unangenehm geworden. Und vor allem – dieser selbstzufriedene Ballon hatte recht: Nun war er für Elisa bestimmt noch anziehender, denn Schauspielerinnen waren ja so anfällig für den Flitterglanz des Erfolgs! Er sollte ihr von MasasTechtelmechtel mit der Klubnikina erzählen – aber das war für einen Gentleman leider undenkbar.
     
    Von Schwermut zernagt, bedachte Fandorin nicht, dass auch er selbst nun in die leuchtende Wolke großen Erfolgs gehüllt war. Dieser Umstand offenbarte sich erst, als er leise die Kantine betrat, bemüht, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Aber von wegen!
    »Da ist er ja, unser lieber Autor! Endlich! Erast Petrowitsch!« Alle stürmten auf ihn zu und gratulierten ihm zur glänzenden Premiere, zum grandiosen Triumph, zum großen Ruhm.
    Stern hob sein Champagnerglas.
    »Auf den neuen Namen im Olymp des Theaters, Herrschaften!«
    Frau Reginina, im lila Kimono, die Augen mit Tusche verlängert (alle Schauspieler waren noch in ihren Bühnenkostümen und geschminkt) sagte innig: »Ich war nie eine

Weitere Kostenlose Bücher