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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Regisseur.
    Herr Schustrow begann seine Rede in seiner üblichen Art, also ohne Präambel und blumige Worte.
    »Meine Damen und Herren, das Stück ist gut, man wird darüber schreiben und reden. Ich habe mich erneut davon überzeugt, dass ich recht daran getan habe, auf Noah Nojewitsch und Ihre gesamteTruppe zu setzen. Eine besondere Freude war für mich heute Frau Altaïrskaja-Lointaine, die eine große Zukunft vor sich hat. Wenn wir eine gemeinsame Sprache finden«, setzte er nach einer Pause hinzu und sah Elisa durchdringend an. »Erlauben Sie mir, Ihnen ein kleines symbolisches Geschenk zu überreichen, dessen Sinn ich Ihnen gleich erklären werde.«
    Er zog ein Samtfutteral aus seiner Tasche und entnahm ihm eine sehr fein gearbeitete Rose aus rötlichem Gold.
    »Wie wunderschön!«, rief Elisa. »Welcher Meister hat diese filigrane Arbeit gefertigt?«
    »Der Name des Meisters ist Natur«, antwortete der Unternehmer. »Was Sie in der Hand halten, ist eine lebendige Blüte, die mit einer Schicht Goldstaub besprüht wurde – nach allerneuester Technologie. Dank der Goldschicht ist die Schönheit der lebendigen Blume nun unvergänglich. Sie wird niemals welken.«
    Alle klatschten, doch der Unternehmer hob die Hand.
    »Es ist an der Zeit, das wichtigste Ziel unserer ›Gesellschaft für Theater und Kinematographie‹ zu erläutern. Ich habe beschlossen, in Ihre Truppe zu investieren, weil Noah Nojewitsch als erster Theatermann erkannt hat, dass wahrhaft großer Erfolg unmöglich ist ohne Sensationen. Aber das ist nur die erste Etappe. Jetzt, da die Zeitungen beider Hauptstädte über die ›Arche Noah‹ berichten, beabsichtige ich, Sie in größerem Rahmen berühmt zu machen – erst in ganz Russland, dann in der ganzen Welt. Mit Gastspielen des Theaters ist das nicht zu leisten, aber es gibt ein anderes Mittel: den Kinematograph.«
    »Sie wollen unsere Stücke auf Film aufnehmen?«, fragte Stern. »Aber was ist mit dem Ton, mit dem Text?«
    »Nein, mein Kompagnon und ich wollen einen Kinematograph neuen Typs schaffen, als eigenständige Kunstgattung. Die Szenarien werden von namhaften Autoren geschrieben, für die Rollen werden wir nicht zufällige Darsteller engagieren, sondern erstklassigeSchauspieler. Wir werden uns nicht wie andere mit Papp- oder Leinwandkulissen zufriedengeben. Und das Wichtigste: Wir werden Millionen Menschen dazu bringen, die Gesichter unserer ›Stars‹ zu lieben. Dieses amerikanische Wort bedeutet ›Stern‹. O ja, unser Konzept hat eine gewaltige Zukunft! Das Spiel eines Theaterakteurs ist wie eine lebendige Blume – es verzaubert, doch der Zauber endet, wenn der Vorhang fällt. Ich aber will Ihre Kunst mit Hilfe einer Goldschicht unvergänglich machen. Wie denken Sie darüber?«
    Alle schwiegen, viele schauten zu Stern. Der stand auf. Er wollte den Wohltäter offenkundig nicht enttäuschen.
    »Hmhm … Hochverehrter Andrej Gordejewitsch, ich verstehe Ihren Wunsch, hohen Gewinn zu erzielen, das ist für einen Unternehmer ganz natürlich. Auch ich selbst, Gott ist mein Zeuge, lasse keine Gelegenheit aus, das Goldene Kalb zu melken.« Ein kurzes Lachen ging durch den Raum, und Noah Nojewitsch neigte komisch den Kopf, als wolle er sagen: Ich gestehe, ich bin sündig. »Aber sind Sie etwa unzufrieden mit dem Ergebnis unseres Moskauer Gastspiels? Ich denke, solche Erlöse hat noch kein einziges Theater erzielt, mögen unsere Freunde vom Künstlertheater es mir nicht verübeln. Die heutige Premiere hat über zehntausend erbracht! Selbstverständlich wäre es nur gerecht, die ›Gesellschaft‹ angemessen an unserem Gewinn zu beteiligen.«
    »Zehntausend Rubel?«, wiederholte Schustrow. »Das ist lächerlich. Einen erfolgreichen Film werden mindestens eine Million Zuschauer sehen, und jeder zahlt an der Kasse im Durchschnitt fünfzig Kopeken. Minus Produktionskosten und Beteiligung der Theaterbesitzer, plus Verkauf ins Ausland und Vertrieb von Postkarten – das ist ein Reingewinn von mindestes zweihunderttausend.«
    »Wieviel?«, rief Mefistow staunend.
    »Wir wollen pro Jahr mindestens ein Dutzend solcher Filme produzieren. Rechnen Sie es sich selbst aus«, fuhr Schustrow gelassenfort. »Und bedenken Sie dabei, Herrschaften, dass ein Star bei uns bis zu dreihundert Rubel pro Drehtag verdienen wird, Schauspieler der zweiten Reihe wie Herr Rasumowski oder Frau Reginina hundert, solche der dritten Reihe fünfzig Rubel. Ganz abgesehen von der allgemeinen Verehrung, für die unsere eigene

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