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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Presse sorgen wird, zusammen mit Noah Nojewitschs genialer Gabe, Sensationen zu schaffen.«
    Plötzlich stand Elisa auf. Ihr Gesicht glühte vor Erregung, in ihrer hohen Frisur glitzerten Perlentropfen.
    »Wo sich alles um Geld dreht, ist die wahre Kunst verloren! Sie haben mir diese Rose geschenkt, und sie ist natürlich schön, aber Sie irren sich, wenn Sie sie lebendig nennen! Sie ist in dem Moment gestorben, als Sie sie mit Gold überzogen! Sie ist nur noch die Mumie einer Blüte! Genau so ist es mit Ihrem Kinematograph. Das Theater ist Leben! Und wie alles Leben ist es von kurzer Dauer und unwiederholbar. Kein Augenblick lässt sich wiederholen, er kann nicht verweilen, und gerade darum ist er schön. Ihr Fausts, die ihr davon träumt, den schönen Augenblick anzuhalten, begreift einfach nicht, dass man die Schönheit nicht verewigen kann, weil sie dann stirbt. Darum geht es auch in dem Stück, das wir heute gespielt haben! Verstehen Sie doch, Andrej Gordejewitsch, Ewigkeit und Unsterblichkeit sind Feinde der Kunst, und ich fürchte sie! Eine Vorstellung kann gut oder schlecht sein, aber sie ist immer lebendig. Ein Film dagegen ist wie eine Fliege im Bernstein. Wie lebendig, aber dennoch tot. Niemals, hören Sie, niemals werde ich vor Ihrem Kasten mit dem gläsernen Auge spielen!«
    Herrgott, wie schön sie in diesem Augenbick war! Erast Petrowitsch presste die Hand auf seine linke Seite – sein Herz schmerzte. Er wandte den Blick ab und sagte sich: Ja, sie ist schön, sie ist ein Wunder und voller Zauber, aber sie gehört nicht dir, sie ist eine Fremde. Werde nicht schwach, bewahre deine Würde.
    Übrigens hatte Schustrows mathematisch trockene Rede kaumjemandem gefallen. Mehr aus Höflichkeit hatten alle geklatscht, Elisas leidenschaftliche Rede aber wurde mit zustimmenden Rufen und Beifall bedacht.
    Die Grande Dame Reginina fragte laut: »Mein Herr, Ihrer Ansicht nach bin ich also dreimal weniger wert als Frau Altaïrskaja?«
    »Nicht Sie«, erklärte der Unternehmer, »sondern Ihr Rollenfach. Sehen Sie, ich habe die Absicht, die neue Technik des sogenannten
blow up
aktiv einzusetzen, wobei das Gesicht des Schauspielers die ganze Leinwand füllt. Dafür sind bevorzugt makellos schöne und junge Gesichter erforderlich …«
    »Alte Vogelscheuchen wie wir beide, meine liebe Wassilissa, sind für die kinematographische Kunst nicht von Interesse«, bemerkte der Räsoneur. »Wir werden weggeworfen wie ausgelatschte Schuhe. Aber es ist alles Gottes Wille. Ich bin ein alter Hase, ich bin meiner Großmutter weggelaufen und auch dem Großvater, da werde ich dem Kinematograph erst recht entkommen. Nicht wahr, mein liebes Füchslein?«, wandte er sich an die neben ihm sitzende Lissizkaja.
    Doch die schaute nicht Rasumowski an, sondern den Millionär, und lächelte äußerst charmant.
    »Sagen Sie, lieber Andrej Gordejewitsch, beabsichtigen Sie auch, Schauerfilme zu machen? Ich habe in der Zeitung gelesen, das amerikanische Publikum liebe Filme über weibliche Vampire, Hexen und Zauberinnen.«
    Herr Schustrow hatte eine ganz erstaunliche Eigenschaft – er konnte einem Menschen im ehrerbietigsten Ton die schrecklichsten Dinge sagen.
    »Wir denken darüber nach, Madame. Aber Untersuchungen zeigen, dass selbst eine negative Heldin wie eine Hexe oder ein weiblicher Vampir attraktiv sein muss. Sonst kauft das Publikum keine Karten. Ich denke, Sie mit Ihrem spezifischen Gesicht sollten Großaufnahmen lieber meiden.«
    Xanthippa Petrownas »spezifisches Gesicht« warf unverzüglichdas Lächeln ab und verzerrte sich zu einer bösartigen Grimasse, die ihm wesentlich besser stand.
    Das Gespräch über die Kinematographie verebbte bald, obgleich Schustrow sich bemühte, darauf zurückzukommen. Als alle aufgestanden und auseinandergelaufen waren, trat er zu Erast Petrowitsch und erklärte ihm, der Beruf des Filmszenaristen habe eine ausgezeichnete Perspektive, er verheiße großen Ruhm und enorme Einkünfte. Der Unternehmer schlug ihm vor, ein Treffen mit seinem Partner Monsieur Simon zu arrangieren, der ihm davon besser erzählen könne und überhaupt ein bemerkenswerter Mensch sei. Doch Fandorin interessierte sich weder für den perspektivreichen Beruf noch für den bemerkenswerten Partner und hatte es eilig, den aufdringlichen Gesprächspartner loszuwerden.
    Da nahm Schustrow Elisa in Beschlag. Er führte sie beiseite und redete mit ernster Miene auf sie ein. Sie hörte zu, drehte die goldene Rose in der Hand und lächelte

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