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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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zweite Frage. Frau Lointaine, hat Kornett Limbach Sie jemals ›Lisa‹ genannt?« Fandorin bemühte sich, seine Frage neutral klingen zu lassen.
    »Nein. Niemand nennt mich so. Schon lange nicht mehr.«
    »Vielleicht in … intimen Momenten?« Die Intonation des Fragenden wurde noch kühler. »Ich bitte Sie, ganz offen zu sein. Das ist sehr wichtig.«
    Ihre Wangen röteten sich, ihre Augen funkelten zornig.
    »Nein. Und nun leben Sie wohl. Mir geht es nicht gut.«
    Sie drehte sich um und ging hinaus. Dewjatkin stürzte ihr nach.
    »Wo wollen Sie denn hin im Kimono?«
    »Unwichtig.«
    »Ich begleite Sie zum Hotel.«
    »Das Automobil bringt mich.«
    Sie ging.
    Was bedeutete ihr »nein« – diese Frage quälte Fandorin. Dass Limbach sie in intimen Momenten nicht Lisa genannt oder dass es keine intimen Momente gegeben hatte? Aber wenn es so war, warum dann die heftige Trauer? Das war mehr als normale Erschütterung angesichts des Todes, das war ein starkes, echtes Gefühl …
    »Also«, resümierte er nüchtern. »Wie Sie sehen, hat Kornett Limbach Frau Altaïskaja-Lointaine nie Lisa genannt, es wäre also seltsam, wenn er sie im letzten Augenblick seines Lebens plötzlich anders nennen würde als sonst.«
    »Was bedeutet dann das angefangene Wort? Er wollte doch wohl kaum zuletzt noch mit seinem Namen unterschreiben: ›Limbach, hochachtungsvoll‹?«
    »Bravo. Früher haben Sie keine Neigung zu Ironie und Sarkasmus gezeigt.« Fandorin lächelte.
    »Bei meinem Leben ist man ohne Ironie verloren. In der Tat, Erast Petrowitsch, was ist hier Ihrer Ansicht nach geschehen?«
    »Ich denke, es war so. Der Mörder – jemand, den Limbach kannte und der bei ihm keinen Argwohn weckte – schlitzte dem Kornett in einem überraschenden Angriff den Bauch auf, ging oder rannte hinaus in den Flur und schloss die Tür ab oder drückte sie einfach zu. Der tödlich verwundete und stark blutende, aber noch nicht bewusstlose Husar schrie, aber niemand außer dem Täter hörte ihn. Der Kornett versuchte, aus der Garderobe zu gelangen, griff nach der Tür, verbog sogar den Knauf, aber er schaffte es nicht. Da versuchte er den Namen des Mörders oder ein Wort, das ihn entlarvte, an die Tür zu schreiben, doch die Kräfte verließen den Sterbenden. Als Stöhnen und Schreie verstummt waren, ging der Täter zurück in die Garderobe und steckte dem Toten den Nachschlüssel in die Tasche. Mit dem anderen Schlüssel, den er vom Brett genommen hatte, schloss er die Tür von außen wieder ab. Die Polizei sollte denken, der Selbstmörder habe sich selbst eingeschlossen. Erinnern Sie sich an die Aussagen von Frau Lointaine und Herrn Schustrow? Als sie herkamen und die Tür verschlossen fanden, wunderte sich die Schauspielerin, sah aber den Schlüssel an seinem üblichen Platz am Brett hängen. Dass der Täter, als er nach Limbachs Tod den Raum betrat, die Schrift an der Tür nicht bemerkte, ist nicht weiter verwunderlich – zwischen den vielen Blutfleckenfällt sie nicht sehr ins Auge. Auch ich habe sie nicht gleich entdeckt.«
    »Wie glaubwürdig Sie das alles schildern«, sagte der einfältige Dewjatkin beeindruckt. »Wie ein altgedienter Detektiv!«
    Der Kriminalist warf einen spöttischen Blick zu Fandorin, sparte sich aber weitere Ironie.
    »Sie haben mich überzeugt«, gestand er. »Ich nehme an, Sie haben bereits eine Hypothese?«
    »Mehrere. Hier die erste: Limbach hatte ein seltsames, verworrenes Verhältnis zu einem Mann, der, soweit ich weiß, das Oberhaupt der Kartenschwarzhändler ist. Ein ziemlich krimineller Typ. Ein sehr großes, unangenehmes Subjekt mit lehmfarbenem Gesicht. Er trägt amerikanische Anzüge und pfeift die ganze Zeit vor sich hin …«
    »Sein Spitzname ist ›Mr. Swist‹ 1 , bestätigte Subbotin. »Eine bekannte Figur. Die rechte Hand von Herrn Zarkow, Spitzname ›Zar‹, dem Oberhaupt eines ganzen Imperiums von Spekulanten, äußerst einflussreich. Zarkow ist gut Freund mit der gesamten Obrigkeit der Stadt, hat in jedem Theater eine eigene Loge.«
    »Ich weiß, von wem Sie sprechen. Nach Herrn Z-zarkow hätte ich als Nächstes gefragt. Ich hatte bereits das Vergnügen, mit ihm in seiner Loge zu sitzen. Auch Mr. Swist tauchte dort auf. Diesen Zar also meinte der Husar …« Die Hypothese wurde immer überzeugender. »Sie müssen wissen, vor einigen Tagen wurde ich Zeuge einer Auseinandersetzung zwischen Mr. Swist und Limbach. Der Schwarzhändler verlangte von dem Kornett die Begleichung einer Schuld, und der junge

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