Moskito
hatten.
INTERIM
Der Junge stellte das Schraubglas auf den Küchentisch. Er kramte aus dem Schrank Erdnußbutter, Marmelade und Brot hervor und begann mit der Zubereitung, während er die Star-Wars- Melodie summte. Im Schraubglas surrte es.
»He, Amy-Balamy, wie geht’s uns denn heute?«
Amy, nicht ganz zwei Jahre alt, gab keine Antwort. Sie krabbelte zum Tisch und tapste nach dem Glas, das so interessante Geräusche von sich gab. Der Junge stand mit dem Rücken zu ihr und merkte nichts davon.
»Magst du ein halbes Marmeladebrot, Amy-Mamy? Magst du … o Mann! Was hast du denn da angestellt, du Biest? O Kleines, jetzt haste dich geschnitten! Nich’ weinen, Kleines …«
Er zog das greinende Kind von dem zerbrochenen Glas auf dem Boden weg. Die kleine Hand war blutverschmiert. Moskitos surrten durch die Küche.
Der Junge zwang sich, scharf nachzudenken. Was machte Mama immer, wenn sich jemand schnitt? Sie wusch es ab. Ja, abwaschen, das war das Richtige. Er hob Amy hoch, trug sie ins Bad und klemmte sie zwischen seinem Körper und dem Waschbecken fest, wobei er das Knie ein wenig hob, um ihr Gewicht abzustützen. So dicht über ihr konnte er riechen, daß sie sich schon wieder eingeschissen hatte. Als das kalte Wasser aus dem Hahn hervorschoß, hörte Amy auf zu weinen und fing an, im Becken herumzuplatschen. Der Schnitt war nicht tief. Der Junge wickelte eine saubere Socke um Amys Hand und klebte sie fest.
Und was jetzt? Saubermachen, ach ja. Und neue Mücken fangen für die Projektarbeit in der Schule. Und was war mit Amy? Konnte einem schwer auf den Geist gehen, das Gör. Er blickte mit finsterer Miene auf seine kleine Schwester, die nunmehr auf dem Fußboden im Bad saß und fröhlich an der Socke kaute.
Der Junge erstarrte. O Gott, ja, das!
Sollte er Mama in der Arbeit anrufen? Nein, der Boss hatte was dagegen, wenn er das machte. Sagte Mama. Aber er mußte was tun, das war ’ne ernste Sache.
Er wählte den Notruf.
»Ich habe hier ’nen Notfall! Meine Schwester …«
»Wie heißt du, Schätzchen? Kannst du mir deine Adresse nennen?«
Die weiße Schlampe dachte, er wäre ein kleines Kind! Der Junge machte seine Stimme so tief wie nur möglich und sagte: »Meine kleine Schwester ist von ’nem Moskito gestochen worden. Schicken Sie ’ne Ambulanz, für den Fall, daß sie sich diese komische Malaria eingefangen hat!«
Die weiße Stimme veränderte sich. »Von einem Moskito gestochen? Jetzt gerade? Zeigt sie irgendeine allergische Reaktion? Probleme beim Atmen? Sonst eine Auffälligkeit?«
Der Junge warf einen Blick ins Bad. Amy rührte mit ihrer bandagierten Hand das Wasser in der Toilette um.
»Nö. Sieht eigentlich ganz okay aus.«
»Dann mußt du dir keine Sorgen machen, Schätzchen. Die Malaria reading ist seit Wochen vorbei. Aber wenn du mir Namen und Adresse gibst, dann …«
Der Junge knallte den Hörer hin. Er zog Amys Hand aus der Toilette und gab ihr einen Klaps. Einen leichten Klaps. Jetzt würde er ihr eine frische Socke um die Hand wickeln, die Windel wechseln, die Glassplitter zusammenkehren und einen neuen Schwung Mücken fangen müssen. Und alles, bevor er Amy auf dem Schulweg bei der Tagesmutter ablieferte.
Aber wenigstens brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Nee. Überhaupt keine. Die weiße Frau am Telefon hatte es ja gesagt.
ACHTZEHN
Beim Versuch, uns dem Problem der Verantwortlichkeit in einem Geheimdienst zu nähern, sehen wir uns wiederholt Berichten gegenüber, die sich jeglichem Verständnis entziehen.
- Senator Walter Mondale über die CIA, im Sonderausschuß zur Untersuchung der Tätigkeiten der U.S.-Geheimdienste 1975
Cavanaugh drangsalierte die Telefongesellschaft so lange, bis man ihm schließlich am Samstagmorgen eine Leitung installierte. Sobald die murrenden Techniker die Wohnung verlassen hatten, überzog er Maryland und Washington mit Kurzbotschaften zur Bekanntgabe seiner neuen Nummer. Zwei Stunden später klingelte das Telefon zum ersten Mal. Als Cavanaugh Judys Stimme vernahm, hatte er das merkwürdige Erlebnis, daß sich seine Halsmuskeln anspannten, während ihm die Knie weich wurden. Umgekehrt wäre das Gefühl wohl ein angenehmeres gewesen.
»Judy?«
»Ja, ich bin’s. Ich habe eine Nachricht für dich, Robert.«
Eine Nachricht? Ihre Stimme klang kühl, aber nicht kalt. Professionell. Was sollte das heißen? Er setzte sich in seinen soeben freigemachten Wohnzimmersessel; rundum lagen immer noch Unmengen Kartons,
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