Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
Vom Netzwerk:
Bücher und zerknüllte Papierfetzen auf dem Boden herum. Abigail grub unter seinem Sessel nach verstreutem Hundekuchen.
    »Schieß los, Judy!« Er bemühte sich, alle nur mögliche Wärme in seine Stimme zu legen; vielleicht würde die ihre einiges davon absorbieren.
    Das tat sie nicht. »Die Nachricht stammt von Tess’ Vetter aus dem Büro des Sheriffs vom Distrikt Charles. Er versuchte, Tess zu erreichen, aber die ist über das Wochenende weggefahren, also rief er mich an. Ein Hilfssheriff ist bereits auf dem Weg zu dir an deiner neuen Adresse. Sein Name ist Ray Keller.«
    »Jetzt? Warum gerade jetzt?« fragte Cavanaugh, um sie zum Weitersprechen zu bringen.
    »Nun, für mich klang er wie einer der Typen, die über einer Situation brüten, bis sie sie nicht länger ertragen können, und dann, einfach um Luft abzulassen, auf der Stelle handeln müssen. Du kennst doch sicher solche Leute?«
    »Allerdings«, sagte Cavanaugh. »Würdest du nicht sagen, daß Karen Saunders dazugehört?« Vielleicht würde die Erwähnung gemeinsamer Freunde Judy an die schönen Zeiten erinnern, die sie zusammen mit diesen verlebt hatten. Die Picknicks, die Parties …
    »Ray Keller sagt, er muß unbedingt mit dir sprechen, Robert. Ich hoffe, es sind nützliche Informationen, die er dir bringt.«
    »Das hoffe ich auch. Wenn du willst, kann ich dich später anrufen, um dir zu erzählen …« Aber sie hatte schon aufgelegt.
    Cavanaugh warf die Kartons und den Großteil der Papierfetzen aus dem Wohnzimmer ins Schlafzimmer und schloß die Tür dorthin. Judy hatte nicht gesagt, woher Keller anreiste oder wann er zu erwarten war. Und außerdem – wieso wußte Judy eigentlich seine, Cavanaughs, neue Adresse? Sie mußte sich auf dem Laufenden halten, was ihn betraf. Vielleicht hieß das, daß sie … Abigail bellte, und Keller traf ein.
    Er war etwa fünfundzwanzig und sah nicht aus wie der nervöse Grübler, den Judy vermutet hatte, obwohl seine Haltung, die hervortretenden Sehnen an seinem Hals und die Art, wie er die Finger um seine Wagenschlüssel klammerte, eine gewisse unterdrückte Anspannung verrieten. Blonder Stoppelhaarschnitt, sonnengebräuntes Gesicht, wachsame Augen. Cavanaugh konnte sich Keller in der Uniform des Hilfssheriffs sehr gut vorstellen.
    »Ich bin Ray Keller. Sie sind Agent Robert Cavanaugh vom FBI?«
    »Ja. Kommen Sie rein.«
    »Könnte ich bitte Ihren Ausweis sehen?«
    Cavanaugh unterdrückte ein Lächeln, korrigierte seine Schätzung von Kellers Alter um ein paar Jahre nach unten, und holte seinen Ausweis aus einer versperrten Schreibtischlade. Abigail schnüffelte an Kellers Hosenbein, und er lockerte sich gerade soweit, um sie an den Ohren zu kraulen.
    »Okay«, sagte Keller, als er Cavanaugh den Ausweis zurückgab. »Ich arbeite mit Jack Cordaro, einem Verwandten von Tess Muratore. Ich habe etwas, das ich Ihnen mitteilen möchte. Draußen im Wagen.«
    Der Junge hatte Angst, daß die Wohnung verwanzt war; Cavanaugh bezweifelte das zwar, folgte aber kommentarlos Ray Keller zu dessen drei Jahre altem Escort, der weitaus sauberer war als Cavanaughs Wagen. Bevor sie einstiegen, tastete Keller ihn nach einer Verdrahtung ab. Cavanaugh ließ es sich gefallen.
    Er setzte sich wortlos neben Keller und wartete, um dem Jungen die Möglichkeit zu geben, auf seine eigene Weise zu berichten.
    »Ich war bei den Marines«, begann Keller, »vier Jahre lang. Bin erst seit sieben Monaten draußen. Dort haben wir gelernt, die Kommandokette zu respektieren. Wir haben auch gelernt, unser Land zu lieben.« Er wandte sich abrupt zur Seite und blickte mit finsterem Gesicht zum Fenster hinaus.
    Jetzt hatte Cavanaugh einen Ansatzpunkt. Beiläufig sagte er: »Und das ist jetzt Ihr Dilemma.«
    »Ja.«
    Wieder eine lange Stille. Draußen bummelten zwei an Eistüten leckende Teenager am Wagen vorbei. Eine Gruppe von Touristen marschierte zum Kriegerdenkmal auf dem rasenbedeckten Herzen von Leonardtown. Eine Katze buckelte die Hauswand entlang. Cavanaugh dachte wehmütig an die Informanten in New York, die mit New Yorker Tempo plauderten.
    Schließlich legte Ray Keller los. »Am Morgen des 2. Mai dieses Jahres um drei Uhr siebenundzwanzig beobachtete ich während meines Dienstes einen Verkehrsunfall auf der Bundesstraße 301 im Distrikt Charles County in Maryland. Der Unfallwagen war ein viertüriger Chevy Lumina 1997. Ich konnte den gesamten Unfallhergang beobachten. Ich war auf der 301 Richtung Norden unterwegs, und der Chevy fuhr in

Weitere Kostenlose Bücher