Moskito
fünfmal hatte Dunbar ihn ausreden lassen. Aber Felders hätte nie eine Argumentation wie diese hier abgewürgt. Felders hätte … aber Cavanaugh arbeitete nicht mehr für Felders.
Vielleicht würde Dunbar wieder hereinkommen und es Cavanaugh ein weiteres Mal wiederholen lassen.
Während er wartete, holte er sein Notizbuch hervor und begann zu kritzeln. Er zeichnete Strichmännchen, die mit zu Berge stehenden Haaren dicht aneinandergereiht auf einem langen Paddel standen und nannte es ›GODZILLAS ZAHNBÜRSTE‹. Dann folgte ein blühender Strauch, dessen Äste durch gebogene Rohrleitungen miteinander verbunden waren: ›DER NORDAMERIKANISCHE KLEMPNERBUSCH IN VOLLER BLÜTE‹. Dunbar tauchte nicht wieder auf.
Schließlich steckte Dunbars Sekretärin den Kopf zur Tür herein. »Agent Cavanaugh? Sie haben ein Gespräch auf Leitung drei.«
Cavanaugh nahm den Hörer ab. Wer wußte, daß er hier war? Nur Seton. Außer, Judy hatte ihn aufgestöbert. Oder Jim Farlow.
»Robert? Marcy hier.«
Seine Exfrau. Seit der letzten Scheidungsverhandlung vor mehr als einem Jahr hatte er sie nicht mehr gesehen. Damals hatte sie schon mit ihrem Boss, dem Wunderknaben von Generaldirektor, zusammengelebt und ihn, Cavanaugh, kaum eines Blickes gewürdigt.
»Robert? Bist du da?«
»Wie hast du rausgekriegt, wo ich bin?« fragte er, weil er irgend etwas sagen mußte.
»Ich mußte mich nicht sehr anstrengen«, sagte sie. Er hatte vergessen, wie tief ihre Stimme war. Ein kehliger Kontraalt. »Ich habe in deinem früheren Büro angerufen, und dort hörte ich, du wärst jetzt in Maryland; als ich die neue Nummer anrief, sagte dein Partner, du wärst hier.«
»Er ist nicht mein Partner.«
»Was auch immer. Robert … ich rufe an, weil ich einen Gefallen von dir brauche.«
Das war typisch Marcy. Sie rannte ihm davon, ließ sich scheiden, hatte ein Jahr lang kein Wort für ihn, und dann rief sie aus heiterem Himmel an, um etwas von ihm zu verlangen. Ohne auch nur bitte zu sagen. Er würde auflegen, sobald ihm die perfekte schneidende Bemerkung eingefallen war.
»Bitte«, sagte Marcy in verändertem Tonfall.
»Was soll es sein?«
»Kann ich dir am Telefon nicht sagen. Ich muß es dir zeigen. Könntest du heute irgendwann mal rüberkommen?«
In das teure Stadthaus in Georgetown, das sie gemeinsam mit dem erfolgreichen Direktor bewohnte? Kam nicht in Frage.
»Ich bin umgezogen«, sagte Marcy hastig. »In eine kleinere Wohnung in Hyattsville, östlich von Washington. Das liegt auf deinem Heimweg, glaube ich. Und ich habe ein kleineres Problem.«
»Also gut«, sagte Robert. Wenn sie wirklich in Schwierigkeiten war … Wußte sie, daß er in einem solchen Fall einfach nicht nein sagen konnte? Na klar wußte sie das. »Ich komme um etwa halb sieben vorbei. Wie ist die Adresse?«
Das Apartment mochte Marcys Vorstellung von einer kleineren Wohnung entsprechen, ganz sicher aber nicht der seinen. Washingtons schickste Adressen lagen nördlich der Stadt. Doch Marcy war es gelungen, die teuerste Behausung in einer nicht teuren Umgebung aufzutreiben: Marmorfoyer, geschnitzte Doppeltüren ins Wohnzimmer und dazu eine Mischung der alten antiken Möbel mit einigen neuen, orientalisch anmutenden Stücken. Dicke Samtvorhänge hielten den Straßenlärm fern.
»Hallo, Marcy.«
»Robert. Vielen Dank, daß du gekommen bist.« Sie reichte ihm die Hand.
Sie sah sensationell aus. Das war nichts Neues, aber jetzt schien ihr Aussehen eine zusätzliche Brillanz angenommen zu haben. Sie war schlanker, das Haar war zu einem Knoten im Nacken geschlungen … Robert hätte gern gewußt, wie die Frauen das machten. Er sah nur, daß sich die schöne Frau zu einer schönen Frau mit einem Glanz, der Tiefgang verriet, gewandelt hatte. So ähnlich wie die Lackierung auf den neuen chinesischen Möbelstücken.
»Möchtest du einen Drink? Wodka und Tonic?«
Sie erinnerte sich, was er trank. In Cavanaughs Kopf begannen Alarmglocken zu klingeln. »Nur Kaffee.«
»Einen Moment. Mach dir’s inzwischen bequem.«
Sie entschwand in den unbekannten Weiten ihrer kleineren Wohnung, und Cavanaugh wanderte im Wohnzimmer herum und hielt Ausschau nach Hinweisen auf das, was hier gespielt wurde. Er fand keine.
»Ist der Kaffee richtig so?«
»Der Kaffee ist wunderbar«, versicherte Cavanaugh, obwohl in Wahrheit für ihn ein Kaffee schmeckte wie der andere.
Warum also hatte er ihn gelobt? Er stellte die Wedgewood-Tasse hin.
»Marcy, du sagtest am Telefon, du hättest ein
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