Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
Vom Netzwerk:
ein großartiges Training. Und selbst hinterher, als sie in der Duschkabine ihre schweißnassen Sachen auszog, konnte sie nicht aufhören zu grinsen. Verdammt, fühlte sie sich gut! Sie mußte sich beherrschen, um nicht zu singen.
    Als sie sich unter den dünnen, harten Wasserstrahlen die Arme einseifte und den Kopf verdrehte, um sich das Haar nicht naß zu machen, bemerkte sie einen kleinen roten Fleck auf ihrer linken Schulter.
    Nein. Nein. Das war es nicht.
    Aber das war es. Sie überlegte rasch. Vor zwei Tagen hatte sie ein weißes Seidentop getragen, abends im ›Wolf Trap‹, und sie hatten draußen gesessen. Hatte sie zuvor das Insektenrepellent hoch genug aufgetragen? Sie dachte, ja. Aber hier war er, der Moskitostich, und sie hatte absolut nichts von dem gottverdammten Biest gespürt …
    Ruhig, dachte sie. Bleib ganz ruhig. Damit wirst du fertig. Ja, sie hatte eine Sichelzellenanlage, das hatte der Bluttest zu Anfang der Epidemie ergeben. Aber der Stich war erst zwei Tage alt. Die Plasmodium- Parasiten blieben sieben bis zehn Tage in der Leber, bevor sie in den Blutkreislauf gelangten. Das besagten die Verlautbarungen des Zentrums für Seuchenkontrolle: im Fernsehen, auf Plakaten, auf dem Flugblatt in ihrer Tasche. Sie war immer noch völlig in Ordnung, sofern sie nur gleich ins Krankenhaus ging. Dort hatte man jetzt schon monatelang Erfahrung mit dieser Sache und wußte, was zu tun war. Der nächste Schritt bestand einfach darin, in eine der speziellen Kliniken zu fahren, und dort würde man ihr weitere Verhaltensmaßregeln geben.
    Rasch trocknete sie sich ab, zog frische Unterwäsche an und lief zurück zu ihrem Spind, um in das neue Jil-Sander-Kostüm zu schlüpfen.

ZWÖLF
     
    Die Gesundung ist eine Frage der Zeit, doch manchmal ist sie auch eine Frage der Möglichkeiten.
    - Hippokrates, Lehren, viertes Jahrhundert v. Chr.
     
     
    Melanie saß wie betäubt vor dem Fernsehapparat, dessen flackernde Grautöne die einzige Lichtquelle in dem Motelzimmer bildeten. Es war Viertel vor sieben abends; die anderen waren zum Essen ausgegangen. Sie hatten an ihre Tür geklopft, vermutlich um sie zum Mitkommen zu animieren. Vielleicht war es aber auch nur Joe Krovetz gewesen. Doch Melanie hatte die Vorhänge vorgezogen und das Licht ausgeschaltet, und so waren sie schließlich gegangen.
    Sie gehörte nicht mehr zum Malaria-reading-Team.
    Es hätte natürlich noch schlimmer kommen können. Farlow hätte sie entlassen können. Statt dessen bekam sie einen bezahlten Urlaub, keine offizielle Rüge und die Möglichkeit, an anderen Epidemien zu arbeiten. Es hätte viel schlimmer kommen können. Alles, wobei sie versagt hatte, war diese eine Epidemie.
    Der Haken war nur, daß sie, Melanie Patricia Anderson, nicht versagte. Niemals. Sie hatte in Berkeley summa cum laude promoviert. Sie war die Viertbeste ihres Jahrganges an der medizinischen Fakultät gewesen. Sie hatte sich bei ihren epidemiologischen Einsätzen in Afrika wärmste Empfehlungen und das Vertrauen aller Seiten verdient, und selbst während der ungeliebten Arbeit als Ärztin in Mississippi war sie eine gute Ärztin gewesen. Melanie Anderson stieß nicht auf Situationen, die sie nicht meistern konnte.
    Doch diesmal war es geschehen. Und obwohl sie immer wieder versuchte, sich in Erinnerung zu rufen, daß im Vergleich zu all den Brüdern und Schwestern, die sterben mußten, ihre eigene Niederlage von lächerlicher Bedeutungslosigkeit war, konnte sie sie einfach nicht verwinden. Sie konnte nur benommen vor dem Fernseher sitzen und den Nachrichtensprecher mit dem Dauergrinsen und dem sorgfältig toupierten Haar anstarren, der etwas über die ›günstigen Entwicklungen‹ bei der Malaria reading faselte.
    »Nur zwei Todesfälle in dieser Woche – eine signifikante Verringerung gegenüber letzter Woche, in welcher bereits ein merkliches Absinken der Todesrate im Vergleich zur Woche davor erkennbar gewesen war. In einer Presseerklärung stellte Doktor James Farlow, der Leiter des epidemiologischen Teams des Zentrums für Seuchenkontrolle heute vormittag fest …«
    Hinter der linken Schulter des Sprechers erschien ein Bild von Jim, wurde vergrößert und begann zu sprechen; Farlow blickte ernst und steif aus dem Bildschirm. »Das Zentrum für Seuchenkontrolle ist überzeugt davon, die Hauptkomponenten dieser Krankheit nunmehr genau identifiziert zu haben. Die von den Bundesstaaten Maryland und Virginia im Rahmen der öffentlichen Gesundheitsvorsorge getroffenen

Weitere Kostenlose Bücher