Moskito
leises Lächeln um die Lippen.
Von College Park fuhr Cavanaugh in südlicher Richtung zum Weather Vane Motel, wo jetzt seine von Ort zu Ort wandernden Habseligkeiten in Marcys ordentlich gepackten Kartons geparkt waren. Das Motel schien Cavanaugh ein ebenso guter Platz wie jeder andere, um dort vorübergehend sein Lager aufzuschlagen. Abigail hatte offenbar auch nichts dagegen, obwohl Cavanaugh bereits die Klage zu Ohren gekommen war, daß sie heulte, wenn er sie den ganzen Tag allein ließ.
Während der Fahrt ging er immer wieder alles durch. Dunbars seltsame, nicht identifizierbare Emotion. Dunbars Lüge Donohue gegenüber. Doch am meisten stieß er sich an der Diskrepanz zwischen dem, was Donohue gesagt hatte, und dem, was der Informant Donohue in den Mund gelegt hatte. Es war keine Diskrepanz des Inhalts.
Nein, des Stiles.
»Das hier sind Todbringer, wie sie noch keiner auf der Welt gesehen hat. Und es ist auch keiner sonst so klug, daß er sie machen kann.« Das war das eine.
»Die Bundespolizeibehörde FBI ist gegenwärtig dabei, mein Haus auseinanderzunehmen. Die Beamten sind äußerst sorgfältig, äußerst lästig und liegen äußerst falsch.« Das war das andere, gefolgt von dieser ›O Tannenbaum‹-Parodie, die Donohue ohne Vorbereitungszeit aus dem Stegreif vom Stapel gelassen hatte.
Donohues Worte, die der Zeuge gehört haben wollte, klangen einfach nicht nach Donohues wohlausgewogener Ausdrucksweise. Würde er wirklich ›keiner auf der Welt‹ sagen? Und dann das nichtssagende Zeitwort … Würde Donohue nicht etwas gesagt haben, das ungefähr so klang wie: »Dies hier sind Todbringer, wie die Welt sie noch nicht gesehen hat; und niemand außer mir verfügt über die geistigen Voraussetzungen, sie zu erschaffen.« Das Wort ›erschaffen‹ würde zu Donohue passen, dachte Cavanaugh; wie ein Gott unter Sterblichen hatte er unter den geschäftig herumrennenden Agenten gesessen.
Aber vielleicht interpretierte er, Cavanaugh, auch zuviel in Wortwahl und Satzstrukturen hinein. Schließlich mochte der Informant, dieser Curtis P. McGraw, einfach in seinen eigenen simplen Worten wiedergegeben haben, was er gehört hatte. In Worten, die er verwendet haben würde. Besonders dann, wenn McGraw ein ungebildeter oder unaufmerksamer Mensch war oder unter Drogen gestanden hatte. Vielleicht mangelte es ihm auch nur an ausreichend Gehör für wohlklingende Prosa. Wie vielen Menschen.
Wie auch immer, das Problem beschäftigte Cavanaugh für die nächsten fünfzehn Kilometer. Dann fuhr er an den Straßenrand und rief Dunbar unter seiner Privatnummer an. Special Agent Dunbar, sagte seine Frau so verkrampft und hölzern wie Dunbar selbst, sei noch nicht nach Hause zurückgekehrt. Sie würde den Anrufbeantworter einschalten, so daß Special Agent Cavanaugh eine detaillierte Botschaft hinterlassen konnte.
Was Special Agent Cavanaugh auch tat, indem er im einzelnen auf die stilistischen Ungereimtheiten zwischen der Aussage des Informanten und Donohues Ausdrucksweise hinwies und sich mit jeder Sekunde mehr wie ein Idiot fühlte. »Das wollte ich Ihnen mitteilen«, beendete er seine Botschaft lahm.
Pause.
»Vielleicht sollten Sie es überdenken.«
Pause. Und dann, noch lahmer: »Ich habe einen Abschluß in Literatur.«
Er fuhr weiter zum Weather Vane Motel und zu seinem heulenden Hund.
INTERIM
Die Frau nahm Rock und Jacke und hängte beides sorgfältig in den schmalen Spind. Jil Sander. Wer hätte je gedacht, daß sie sich einmal Jil Sander würde leisten können? Eigentlich konnte sie es auch nicht. Aber die Gehaltserhöhung, die mit ihrer Beförderung einherging, würde sich auf der nächsten Lohnabrechnung bemerkbar machen. Außerdem verdiente sie dieses Kostüm. Sie hatte es am Vortag in einem Nebel von Euphorie gekauft, als der Geschäftsführer persönlich ihr die Beförderung mitgeteilt hatte. »In Anbetracht Ihrer außerordentlichen Führungsqualitäten«, hatte er gesagt. Wenn das nicht Jil Sander rechtfertigte, was dann?
Das mittägliche Stimmengewirr im Umkleideraum wurde immer lauter, aber die Frau beteiligte sich nicht an den Gesprächen. Sie zog es vor, für sich allein zu bleiben. Sie würde höher aufsteigen als all diese anderen Frauen, und das in nicht allzu ferner Zukunft. Es schien ihr keine gute Idee, Freundschaften einzugehen, die sich später als peinlich erweisen konnten.
Die Euphorie dauerte während der ganzen Aerobic-Stunde an – trieb sie an, stärkte sie. Es war
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