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Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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betrachten und stellt die Fähigkeit und das Engagement eines Agenten in Frage. Eine solche Preisgabe von Informationen reicht aus für dienstrechtliche Konsequenzen und disziplinäre Maßnahmen.‹«
    Cavanaughs Magen fing an zu schlingern. Dunbar hatte sich die Zeit genommen, den Text wörtlich auswendig zu lernen. ›Disziplinäre Maßnahmen‹ beim FBI reichten von einer schriftlichen Rüge bis zur Entlassung – und einer Reihe von unangenehmen Möglichkeiten dazwischen. Bewährungsfrist, Versetzung, Suspendierung, Rückstufung in eine niedrigere Dienstklasse, freiwillige Dienstquittierung …
    »In Anbetracht der besonders schwerwiegenden Begleitumstände dieses ganzen Falles und der zahlreichen ausdrücklichen persönlichen Bitten des Direktors um Vertraulichkeit an alle Agenten«, sagte Dunbar, immer noch hinter seinem Schreibtisch stehend, »werde ich die Disziplinarkommission auffordern, eine interne Untersuchung Ihres dienstlichen Verhaltens in die Wege zu leiten. In der Zwischenzeit suspendiere ich Sie ohne Lohnfortzahlung für einen Zeitraum von einem Monat.«
    Suspendiert. Nicht entlassen, nicht einmal gezwungen, eine Versetzung an einen völlig untergeordneten Posten anzunehmen. Suspendiert. Das war zwar schlimm genug – genau wie die angeforderte Untersuchung seiner beruflichen Verläßlichkeit seitens der Dienstaufsicht –, aber wenigstens war er immer noch ein Agent. Für den Moment.
    »Agent Cavanaugh, haben Sie dem etwas hinzuzufügen?«
    »Nein, Sir.«
    »Dann entschuldigen Sie mich bitte …« Dunbar ging um den Schreibtisch herum und an Cavanaugh vorbei; seine Haltung war außerordentlich steif, selbst für Dunbar.
    Cavanaugh gab Dunbar und seinem Festnahmeteam genügend Zeit, das Gebäude zu verlassen, und wartete indessen. Er hatte kein Verlangen zu erleben, wie die Männer da draußen so taten, als würde er nicht existieren. Nichtsdestoweniger war er mehr erleichtert als bestürzt. Sehr viel mehr erleichtert. Er war immer noch ein Agent.
    Tausend Dank, Hl. J. Edgar Hoover!
     
    Weder seine Dankbarkeit noch die Erleichterung währten länger als die Fahrt von Baltimore nach Süden.
    Etwa zwölfhundert FBI-Agenten wurden jährlich von der Dienstaufsicht in die Zange genommen. Die Verstöße reichten von der unerlaubten Benutzung FBI-eigener Fahrzeuge für persönliche Zwecke (dem häufigsten Verstoß) bis zu Spionage gegen die Vereinigten Staaten. Die Liste von Verstößen umfaßte unter anderem unwahre Aussagen vor einer Anklagekammer, Geschlechtsverkehr mit Informanten, Provisionsannahme von Drogenhändlern und Mord. Und was hatte Cavanaugh verbrochen? Er hatte mit einem lieben alten Weiblein ein wenig gescherzt. Nicht unbedingt Hochverrat.
    Von den Fällen, die die Dienstaufsicht untersuchte, endeten die meisten mit irgendeiner disziplinären Maßnahme. Er, Cavanaugh, bekam aber die disziplinären Maßnahmen schon vor Beginn der Untersuchung verabreicht! Das war zwar erlaubt, aber unüblich für einen Verstoß wie der beiläufigen Erwähnung einer internen Sachlage. Die Agenten murrten andauernd über das Arsch-bedeckt-Halten ihres Dienstgebers – obwohl erwartet wurde, daß man selbstverständlich einem Normalbürger gegenüber in dieser Hinsicht seiner Zunge nicht freien Lauf ließ. Wie auch immer … es war kein gröberer Verstoß.
    Und noch etwas: die durchschnittliche Dauer einer solchen Untersuchung betrug etwa sieben Monate vom Beginn bis zur endgültigen administrativen Entscheidung. Sie konnte auch ein Jahr dauern. Während dieser ganzen Zeit begegnete man dem Agenten innerhalb des FBI mit Mißtrauen; die Außenwelt würde davon nichts bemerken, aber die anderen Ermittlungsbeamten würden Cavanaugh als weniger einsatzbereit betrachten und seine Tätigkeit als halbherzig.
    Dazu kam, daß nach diesem Monat der Suspendierung – ›Strandurlaub‹ hieß das – die Malaria-reading-Sache vermutlich vorbei sein würde. Die Todesrate war inzwischen fast auf Null gefallen. Das Belastungsmaterial gegen Donohue würde dann bei der Anklagekammer liegen und somit vom FBI zur strafrechtlichen Verfolgung an das Justizministerium weitergegeben worden sein. Außer Cavanaughs Reichweite.
    In seinem Kopf begann sich ein Verdacht zu formen.
    Um dem Verdacht bessere Wachstumsbedingungen zu bieten, bog er von der Straße ab und parkte vor einem Einkaufszentrum. Er stellte den Motor ab und durchdachte alles sorgfältig.
    Man hatte ihn eines geringfügigen Verstoßes wegen von dem Fall abgezogen.

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