Motiv Angst
wurde, sein Vater sich fast nur auf Geschäftsreise befand, Frau Bender immer schmaler und blasser wurde und Tobias sich zigmal für sein doofes Verhalten bei Jan entschuldigte, bekam er Victor nicht zu sehen. Zwar hing seine Gang ständig irgendwo zusammen herum, doch von ihrem Anführer weit und breit keine Spur. Vom dicken Marvin hatte Jan erfahren, dass Victor angeblich von der Schule geflogen wäre. Doch als Jan dann an einem Nachmittag zufällig Nico im Einkaufszentrum über den Weg lief, sollte er erfahren, was wirklich geschehen war. Zuerst wollte Nico überhaupt nicht mit ihm reden. Doch Jan lieà nicht locker.
âEs tut mir wirklich leid. Du musst das verstehen ... ich ... ich weià auch nicht, warum ich damals nichts unternommen habe. Aber ... ich ... ich hatte einfach Angstâ, versuchte Jan sein Verhalten zu erklären.
âAngst hatte ich auch. Und keiner hat mir geholfen oder mich verstanden. Warum soll ich nun
dich
verstehen? Nee, die Sache hat sich für mich erledigt.â
âWas heiÃt erledigt? Hast du jetzt keine Angst mehr?â
âKlar habe ich noch immer Angst. Besonders vor solchen Typen wie dir und wie dem Böker.â
âWarum das denn?â Jan verstand überhaupt nichts mehr. Warum hatte Nico Angst vor ihm â und vor dem Schulleiter?
âDas ist doch wohl klar. Durch Typen wie dich wird Mobbing doch erst möglich. Einfach weggucken und so tun, als ginge dich der ganze Scheià nichts an. Und der Böker, der wollte meinen Eltern doch glatt noch verklickern, dass ICH ständig den Streit provozieren würde. Nur damit er sich mit dem Thema und den Dingen, die an seiner Schule passieren, nicht beschäftigen muss. Aber da hat er sich zu früh gefreut. Meine Eltern haben dem so die Hölle heià gemacht ...â
Nicos Gesicht hatte sich dunkelrot verfärbt und seine Stimme überschlug sich fast vor Ãrger. âAch, was rede ich überhaupt mit dir ...?â Er wollte Jan einfach stehen lassen und weggehen, doch Jan hielt ihn am Arm zurück.
âBitte, Nico, bleib hier. Ich muss unbedingt mehr über Victor erfahren.â
Nico zog die Augenbrauen hoch und sah Jan erstaunt an. SchlieÃlich begann er breit zu grinsen â richtig schadenfroh sah er dabei aus.
âAch, darum geht es hier. Jetzt bist DU dran. Logo, jetzt, wo ich von der Schule bin, brauchen die Arschlöcher ja schlieÃlich einen neuen Prügelknaben. Herzlichen Glückwunsch.â
Am liebsten hätte Jan ihm eine gescheuert, aber irgendwie konnte er Nicos Reaktion schon verstehen.
âVictor soll von der Schule geflogen sein ...â
Jan hoffte so sehr, dass die Antwort auf seine Frage Ja lauten würde, doch Nico hatte nur ein mitleidiges Kopfschütteln für ihn übrig.
âNee, Junge, da hast du dich zu früh gefreut. Der ist nur vom Unterricht beurlaubt. Drei Wochen muss der zu Hause bei seinen versoffenen Alten rumhängen und nachmittags in die Schule zum Pauken kommen. Kannst du dir vorstellen, wie der drauf sein wird, wenn er wieder in die Penne kommt?â
Jan wollte es sich überhaupt nicht vorstellen, doch Nico war nun nicht mehr zu bremsen.
âHast du schon mal was von Victors Prügelliste gehört?â
Jan nickte. Nico zog die Luft scharf zwischen den Zähnen ein.
âDa stand ich drauf und deswegen haben meine Eltern mich auch von der Schule genommen. In dem Viertel, in dem der wohnt, halte ich mich sowieso nicht auf. Also bin ich schon mal für Victor und seine Kumpane von der Bildfläche verschwunden. Aber das ist ja kein Problem ... jetzt haben sie ja dich.â Mit einem kräftigen Ruck schüttelte er Jans Arm ab und eilte davon. Diesmal hielt Jan ihn nicht zurück. Er hatte genug geredet und gehört. Jetzt musste er handeln.
Bei mir ging das in der dritten Klasse schon los. Ein paar Mädchen behaupteten, dass ich doof wäre und nach Fisch stinken würde. Das haben die dann überall herumerzählt. Ich hatte echt Angst vor denen. Und dann wurden die immer fieser und brutaler und irgendwann haben die mich dann auch geschlagen. Selbst meine beste Freundin hat mir nicht geholfen. Aber ich habe mich nicht getraut es der Lehrerin zu sagen, weil dann alles nur noch schlimmer geworden wär. Es hat erst aufgehört, als ich zum Gymnasium gekommen bin. Aber mit meiner Freundin von damals habe ich auch heute nichts mehr zu tun â die ist echt unten
Weitere Kostenlose Bücher