Motte Maroni - Flossen des Grauens
ebenfalls Volksreden. Nina kichert.
„Loiiiiiiiiiseeeeeerl, komm zum Heeeeeeeerrdliiiiiii!“, tönt Herr Gschwaderer weiter in die Sommerhitze. Plötzlich bleibt er stehen und blickt verdutzt zum Seeufer. Sein Gesicht nimmt den Ausdruck ehrlicher Besorgnis an. Er geht zum Wasser. Sein Blick fixiert ein Stöckchen, das auf den Wellen tanzt. Das Stöckchen hat Gebissspuren, die eindeutig zu Alois passen. „Aaaaaaaloooooois!“, ruft Herr Gschwaderer verzweifelt. „Guuuuuuutsiiiiiiiii!“
Sein Gebrüll bleibt nicht unbemerkt. Nina Nipf hebt den Blick. Sie ignoriert die Surfer und den schweinchenfarbenen Jungfischer, die sich nun darauf verlegen, unauffällig ihre Armmuskeln spielen zu lassen und sich hierbei unablässig mit Sonnencreme einölen. Irgendwie findet Nina die berührende Szene mit dem alten Mann, der offenbar jemanden sucht, interessant. Jedenfalls interessanter als die knackigen Strandjungs und den Schweinchenfarbenen, die soeben beginnen, Liegestütze und andere Kraftmeiereien zu vollführen und dabei lautstark stöhnen und röcheln.
Nina rollt die Augen, steht auf und geht zu Herrn Gschwaderer, der leise vor sich hin schluchzt. Sie stellt sich neben ihn und schaut auch auf den glitzernden See. Aber sie kann nichts Außergewöhnliches erkennen. „Weg ist er, mein braver Alois!“, röhrt Herr Gschwaderer. Nina beschließt, ihre Mutter anzurufen. „Meine Mama ist bei der Polizei. Sie weiß, was man machen muss, wenn Dackel abhanden kommen!“
Herr Gschwaderer nickt dankbar und starrt weiter auf den See hinaus, während Nina zu ihrem Handtuch läuft, um ihr Handy zu holen. Alles ist ruhig. Zumindest über Wasser …
Das Tier beutelt den Kopf hin und her. Es spuckt ein paar drahtige Haare aus. Zorn, Ärger, Frust. Diese Emotionen durchzucken das Gehirn des Tieres, das sich hektisch um die eigene Achse dreht und ein kleines Stück Dackelohr hervorwürgt. Mit einigen peitschenden Flossenschlägen manövriert sich das Tier aus dem Trubel, es hat immer noch Hunger. Das Tier beobachtet, das Tier fixiert ein paar Beine, die hektische Kraulbewegungen vollführen, um eine Luftmatratze anzutreiben. Die Augen des Tieres fixieren die strammen Waden. „KU-KU-RUZ!“, denkt das Tier. Dann greift es an.
„Ich mag noch einmal ins Wasser gehen! Ich mag, ich mag, ich mag!“ Der kleine Alexander Krautinger stampft mit seinen Füßen auf den sandigen Boden des Strandbades. Seine Mutter ist zusehends verzweifelt. „Xandi, wart ein bisserl, wärm dich in der Sonne auf, dann darfst du wieder ins Wasser!“
„Mir ist gar nicht kalt!“, brüllt Xandi, am ganzen Leibe schlotternd. Er schnappt sich seine gelbe Luftmatratze und eilt in Richtung Wasser. „Ich mag, ich mag, ich mag!“, brüllt er, während er in den See watet. Seine Mutter läuft ihm nach und kreischt: „Du hast zwei Wochen Fernsehverbot!“ Aber das ist ihrem Sohn, der bäuchlings auf der Luftmatratze auf den See hinaussteuert, völlig schnurz. „Ich mag, ich mag, ich mag!“, brüllt er, und seine Fußtempi werden immer kraftvoller …
Ninas Anruf erreicht Herta Nipf am Weg vom Bäcker zum Dienstwagen. „Bitte, was ist passiert?“ Herta verschluckt sich an ihrem Punschkrapferl. „Ein Dackel ist verschwunden? Im See? Plötzlich?“ Herta lässt ihre Tochter gar nicht aussprechen. „Dreck, elendiger!“, flucht sie. Sie legt auf, hastet zum Auto, wirft die Sirene an und fährt mit quietschenden, qualmenden Reifen los in Richtung Strandbad. Sie ignoriert sämtliche roten Ampeln und überlegt sogar, mit dem Auto direkt aufdie große Liegewiese zu rasen. Erst in letzter Sekunde entschließt sie sich, dieses nicht zu tun. Zu gefährlich. Sie stellt das Polizeiauto vor der Kassa quer und sprintet zu Fuß ins Strandbad. Auf der Liegewiese warten schon Herr Gschwaderer, Nina und die unvermeidlichen Jungsurfer. Kurz lässt sich Herta Nipf die Ereignisse schildern, ein schweinchenfarbener Knabe mit rotem Fischerhut macht sich mit Vermutungen wichtig. Dann handelt Herta Nipf. Sie zückt das Megaphon. Die Leute müssen schnell aus dem Wasser raus, weiß Herta. Sehr schnell …
„Ich mag, ich mag, ich mag!“, ruft Xandi Krautinger in Richtung Ufer. Sein Blick verrät triumphierenden Trotz. Nun nimmt er auch seine Hände als Ruder zu Hilfe, um mit der Luftmatratze noch mehr Fahrt aufzunehmen.
Als er sich vor dem mütterlichen Zugriff in Sicherheit wähnt, dreht er sich, auf der Luftmatratze liegend, vorsichtig auf den Rücken. Seine Beine baumeln im
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