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Mottentanz

Mottentanz

Titel: Mottentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Weingarten
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kotzen.
    Ich weiß, dass ich eigentlich nicht überrascht sein sollte. Es war unwahrscheinlich, dass irgendjemand in diesem mit Hunderten von Leuten voll gepackten Haus sich an ein Mädchen erinnern würde, das er vielleicht zwei Jahre lang nicht gesehen hat. Das war mir klar gewesen. Aber ich muss dennoch unbedingt jemanden finden, und zwar den Typen von dem Videoband, und bisher habe ich ihn noch nirgends erspäht. Ich habe einmal gehört, dass man an Orten mit sehr vielen Menschen am besten jemanden findet, wenn man einfach still stehen bleibt, weil irgendwann der Gesuchte an einem vorbeilaufen wird. Ich weiß nicht, ob das stimmt oder nicht, aber ich kann es ja mal versuchen, denn das Herumlaufen hat ja nicht besonders gut funktioniert.
    Vor ungefähr zwanzig Minuten ist Amanda hinausgegangen, um mit Eric zu telefonieren. Also stehe ich nun alleine vor einer Wand, während die Leute an mir vorbeiwirbeln, Teilnehmer an einem chaotischen Tanz voller großer, glänzender Augen und wilder Gesten. Außer mir steht allerdings noch jemand anderes bewegungslos da und er starrt mich seit rund fünf Minuten an. Ein Typ, weite Jeans, schwarzes T-Shirt und schwarze Skater-Schuhe. Sein Gesicht ist hinter einer riesigen Gummimaske versteckt. Sie sieht ziemlich realistisch aus, und ich dachte anfangs kurz, es sei sein wirkliches Gesicht. Aber die Gesichtszüge sind ein bisschen zu grob, und die Haare aus Plastik.

    Die Augen der Maske sind Löcher und ich kann seine richtigen Augen sehen. Sie sind dunkelgrau, wie nasser Schiefer. Die Menge teilt sich, schließt sich wieder, teilt sich, kommt zusammen, teilt sich, aber jedes Mal, wenn ich einen Blick auf ihn werfe, sind seine Augen auf mich gerichtet.
    Unter anderen Umständen hätte ich das sehr interessant gefunden, aber ich habe bereits nach einem Blick auf seine Arme herausgefunden, dass er nicht der Typ von dem Videoband ist. Deshalb ist er nur eine Ablenkung, der meine Aufmerksamkeit von meiner Mission abzieht, die darin besteht, Leute zu beobachten, bis ich denjenigen finde, den ich suche.
    Zu meiner Rechten steht ein Mädchen mit einem perfekten Puppengesicht und fransigem knallpinkem Haar. Sie trägt auch von Kopf bis Fuß Pink. Sie redet in einer Mischung aus Schwedisch und Japanisch mit dem Typen neben ihr, der nickt und lächelt, obwohl ich das Gefühl habe, er versteht überhaupt nichts. Zu meiner Linken steht ein großes, dünnes Mädchen, das ein Kleid trägt, das nur an einem großen, dünnen Mädchen gut aussieht: ein steif aussehendes Stück gelber Industrieplane, das mit Stricken an ihrem Körper befestigt ist. Der Rücken ist total offen, zwei Stricke überkreuzen sich an ihrem Rücken. Sie steht mit zwei Freundinnen da.
    »Ja«, sagt ein Typ mit leichtem britischem Akzent. »Aber mehr Synthies und Backbeats aus den Eighties.« Er verdreht die Augen und alle lachen.
    Die Menge teilt sich wieder, und da ist auch der Gummikopf, der mich immer noch anstarrt. Diesmal läuft er zu mir rüber.

    »Endlich!«, sagt er. Er bleibt direkt neben mir stehen. »Du bist hier.«
    Ich starre in seine Augen. Sie kommen mir nicht bekannt vor, und seine Stimme erkenne ich, glaube ich, auch nicht. »Kennen wir uns?«
    Er schüttelt den Kopf. »Na ja, nein. Aber du bist hier, stimmt’s?«
    Ich ziehe meine Augenbrauen hoch. »So sieht’s aus.«
    »Eine großartige Nachricht.« Seine Augen bekommen Fältchen in den Ecken. Er grinst. »Wie bist du an diesem irren Ort gelandet? Ich meine natürlich, abgesehen davon, dass das Schicksal es uns lange vor unserer Geburt vorbestimmt hat, hier aufeinanderzutreffen.«
    Ich starre ihn an und spüre, wie ich rot werde. Falls er mich gerade anbaggert – schwer zu sagen, um ehrlich zu sein –, ist er zumindest mal originell.
    »Okaaaaaay«, sagt er. »Ich fange an. Stell dir den heutigen Morgen vor. Die Sonne schien, die Vögel sangen und ich stand an einer Tankstelle und bezahlte für mein Benzin. Ich suchte in dem kleinen Shop nach einem kalten Kaffee für mich und einem Geschenk für dich, natürlich, aber ich fand nichts, was dir gefallen hätte. Also zahlte ich meinen Kaffee und ging wieder nach draußen. Und siehe da! Jemand hatte einen Flyer für diese Party an meine Windschutzscheibe geklemmt. Ich hatte schon oft von diesem Ort gehört und wollte schon lang mal hierher, war es aber vor heute Abend noch nicht. Da dies die letzte Chance war… bin ich hier! Offenbar hatte ich recht mit meiner Entscheidung hierherzukommen, aber jetzt,

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