Mottentanz
mitzuhalten. Wir laufen durch das Wohnzimmer, wo ein Mädchen auf einer
an der Decke befestigten Schaukel sitzt und bei jedem Schwung mit ihren riesigen Plateauschuhen gegen die Wände tritt. Durch die Küche, wo zehn Leute mit extralangen Strohhalmen aus einem riesigen Aquarium trinken. Durch ein Zimmer, in dem ein Dutzend Leute die Wände besprüht.
Gorgonzola läuft weiter und ich folge ihm. Wir gehen einen langen Flur entlang, durch eine Holztür und eine dunkle, sehr, sehr lange Treppe ohne Geländer hinunter. Jetzt bin ich dankbar für seine schweißfeuchte Hand, froh darüber, mich festhalten zu können. Als wir unten sind, streckt er den Arm aus und einen Augenblick später wird der Keller durch eine einzelne Glühlampe in trübes Licht getaucht. Wir sind die Einzigen hier unten. Es ist auf bizarre Weise ruhig hier. Die Luft ist kühl und feucht.
»Du könntest hier unten anfangen«, sagt er. Ich schaue die nackten Wände, die freigelegten Rohre an. Der Boden ist voller Zigarettenstummel, leerer Bierdosen und Pepsiflaschen. In einer Ecke steht eine durchgesessene beigefarbene Couch mit einem Kissen und einer Decke. Die Decke ist voller schwarzer Flecken, wahrscheinlich Schimmel.
Ich merke, dass er immer noch meine Hand hält. Er zieht daran. »Nein, hier unten«, sagt er. Ich schaue hoch. Die drahtigen Muskeln in seinem Arm zucken. Seine Lippen sind feucht, als hätte er gesabbert. Er schaut auf seinen Schritt und dann wieder mich an.
Er greift nach meiner freien Hand und ich weiche zurück. »Was soll das?«, sage ich.
»Du bist einsam.« Er läuft auf mich zu. »Das kapiere ich. Aber du findest nicht das, was du brauchst, weil du nicht
weißt, was du wirklich suchst.« Er streckt den Arm aus und legt eine Hand an meine Hüfte. »Vielleicht kann ich dir dabei helfen.«
»Deshalb hast du mich hier runtergebracht?« Er kommt näher.
»Hier ist sonst nichts, oder?«, sage ich. »Stimmt’s?« Aber es ist keine Frage.
Er zuckt mit den Achseln. »Nur das Zeug, das ich bei Attic verkauft habe.« Und dann lächelt er ein verstörend nettes Lächeln. »Sorry.« Er bewegt seine Hand und legt sie auf meinen Po, und einen Augenblick überwältigt mich die Traurigkeit so sehr, dass ich mich nicht einmal wehre.
Aber dieser Augenblick vergeht und mein Gehirn ist wieder bei meinem Körper. Ich glaube, ich muss gleich kotzen. Was mache ich hier unten? Was soll ich jetzt tun? Was zum Teufel soll ich jetzt tun? Ich weiß es nicht, also mache ich das, was ich immer mache, wenn ich nicht weiß, wie es weitergehen soll: Ich stelle mir meine Schwester vor, die vor nichts und niemandem Angst hatte. Und ich frage mich, was Nina in dieser Situation tun würde. Diesmal ist die Antwort ziemlich naheliegend.
Ich ziehe mein Knie mit aller Kraft zwischen Gorgonzolas Beinen hoch.
Sein Mund öffnet sich zu einem O, und einen Moment lang ist er zu geschockt, um einen Laut von sich zu geben. Dann füllen sich seine Augen mit Tränen, und er beginnt, aus voller Kehle zu brüllen.
»Danke für deine Hilfe«, sage ich ganz ruhig. Ich renne die Treppe hinauf und blicke nicht zurück.
Kapitel 7
Ich bin wieder oben, wieder Teil der Party, und das Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich hole mein Handy aus der Tasche und rufe Amanda an. Mailbox. Ich lege auf. Und nun?
Ich laufe den Weg zurück, den wir gekommen sind, durch den Graffiti-Raum, durch die Küche, durch das Zimmer mit dem Mädchen auf der Schaukel.
Ich spüre, dass mich jemand beobachtet. Eine widerliche Sekunde lang fürchte ich, es könnte Gorgonzola sein, der mir folgt. Ich balle die Fäuste, aber als ich mich umdrehe, ist er nirgendwo zu sehen. Ich höre, wie krachend eine weitere Wand einstürzt. Neuer Jubel. Ich laufe durch Menschenmassen, stoße mich an Ellbogen und Armen an. Ich versuche erst gar nicht, ihnen auszuweichen. Ich steige die Treppe hinauf, und dann noch ein paar Stufen, und dann stehe ich in einem Flur, in dem ich bisher noch nicht war. Meine Augen brennen. Hier oben kann man kaum atmen.
Zwei Jungs in Maleroveralls kommen auf mich zu. Beide tragen riesige Jutetaschen über der Schulter. »Hooooolt euch eure Häääääämmmer, Leute, Hämmer, Bowlingbälle, Metallrohre, Häääääääämmer!« Als sie näher kommen, kann ich erkennen, dass ein Typ Abbruchkommando auf seinen Overall
gepinselt hat. Abbruchkommando bleibt vor mir stehen. »Und einen für dich, junge Lady«, sagt er. Er reicht mir einen riesigen Vorschlaghammer. »Siehst du?«, sagt er.
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