Mottentanz
wovon du redest«, sagt Gorgonzola schließlich. Er schüttelt den Kopf und schaut über seine
Schulter. Ein Mädchen läuft vorbei, das nur bronzene Körperfarbe trägt. Er starrt sie an.
»Attic?«, sage ich. »Der Trödelladen? Du hast einen Karton voller Zeug verkauft und einen Flyer für diese Party aufgehängt. «
»Warum beschuldigen mich eigentlich immer alle für irgendwas? «, fragt er, und dann: »Du verwechselst mich mit jemandem, sorry.« Er dreht sich um und will weggehen.
»Warte! Bitte!«, sage ich ein bisschen zu laut. »Ich weiß aber, dass du das warst. Der das Zeug verkauft hat. Ist ja nichts Schlimmes. Meine Freundin arbeitet in dem Laden«, füge ich hinzu. »Ich wollte dich nur fragen, wo du das Zeug herhattest.« Ich spüre, wie mein Gesicht heiß wird, und ich weiß, dass ich allmählich verzweifelt klinge. »Bitte?«
Gorgonzola zuckt mit den Achseln. Seine Schultern sind angespannt, er nimmt einen großen Schluck von dem Bier in seiner linken Hand. »Ich habe nur im Keller nach Zeug zum Verscherbeln gesucht und habe einen Haufen alten Schrott gefunden. Und weil in diesem Laden ein Schild hing, dass sie Schrott kaufen, bin ich einfach rein.« Er leert das Bier in der linken Hand und wirft den Becher auf den Boden. Dann nimmt er einen großen Schluck aus dem Becher in seiner rechten Hand. »Wieso? Bist du auf der Suche nach Schrott? Dafür hättest du nicht extra hierherkommen müssen, die ganze Welt ist voll davon!« Er lacht krächzend und macht den Mund dabei so weit auf, dass ich alle seine winzigen Zähne sehen kann.
»Da war ein bestimmtes Buch dabei, ein Psychologiebuch,
und drinnen steckte ein kleines Stück Pappe, das jemand als Lesezeichen benutzt hat …«
Die Musik unten wird schneller.
»Und?« Gorgonzola gähnt. Ein Mädchen in einem hautengen rosenroten Kleid geht neben ihm die Treppe hinab. Er starrt ihm auf den Arsch.
»Und darauf waren Zeichnungen, die meine Schwester gemacht hat.«
»Und?«
»Na ja, sie ist verschwunden«, sage ich. Ich erzähle die Geschichte heute schon zum dreißigsten Mal, aber es fühlt sich immer noch komisch an, es auszusprechen.
»Und was heißt das?« Gorgonzolas Gesichtsausdruck verändert sich leicht, wie es den meisten Leuten geht, denen ich meine Geschichte erzähle. Sein Adamsapfel hüpft auf und ab, während er schluckt.
»Das bedeutet, dass meine Mutter und ich nicht wissen, wo sie ist.« Die Wunde fühlt sich frisch an. Wie immer. »Vor zwei Jahren ist meine Schwester Nina abends ausgegangen und hätte eigentlich nach Hause kommen sollen.« Er schaut mich an, als wolle er herausfinden, ob ich lüge. Wie gerne, wie unglaublich gerne würde ich lügen. »Aber sie kam nicht nach Hause. Seitdem ist sie nicht mehr zu Hause gewesen.«
Gorgonzola nickt. »Heftig«, sagt er. Seine Miene hat sich wieder verändert, aber diesmal kann ich seinen Gesichtsausdruck nicht deuten.
»Deshalb bin ich hier«, sage ich. »Ich wollte dich finden, dich nach dem Zeug fragen und herausfinden, ob du
sie kennst. Sie war bestimmt mal hier. Ihr Name ist Nina Wrigley …«
»Hör zu.« Gorgonzola streckt die Hand aus und schneidet mir das Wort ab. »Alle waren irgendwann mal hier, deswegen gab es diesen Ort ja hauptsächlich. Wenn sie also nicht das Mädchen ist, mit dem ich die gestrige Nacht verbracht habe, erinnere ich mich nicht an sie.« Er grinst. »Und selbst dann wäre es fraglich.«
»Aber ich habe ein Bild von ihr«, sage ich. Meine Stimme klingt weinerlich. Ich nehme ihr Bild aus der Tasche und zeige es ihm. Er starrt sie widerlich lüstern an, leckt seine Lippen und schüttelt dann den Kopf.
»Nö«, sagt er. »Die habe ich noch nie gesehen.«
»Und was ist mit dem Ort, an dem du das Buch mit der Zeichnung gefunden hast? Vielleicht ist dort noch was, das mir einen Hinweis geben kann?«
Er atmet ein und nickt dann, als habe er eine Entscheidung getroffen. »Folge mir.« Er mustert mich und zeigt mir dann wieder sein Zahnfleisch. »Ich glaube, ich habe genau das, was du brauchst.« Mein Magen beginnt zu rumoren und er packt meine Hand. »Na los.«
Wir gehen die Treppe hinunter, er zerquetscht mir fast die Hand. Seine Hand ist feucht. Ich versuche, meine Finger zu befreien, er hält mich fester. In meinem Kopf überschlagen sich die Fragen und sie sprudeln aus meinem Mund. »Wo gehen wir hin? Wie viel Zeug ist noch dort? Wie lange liegt das schon dort?« Er ignoriert alle Fragen. Er hat es jetzt ziemlich eilig, und ich muss rennen, um
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