Mottentanz
»Steht dir hervorragend.« Ich schließe die Hand um den Griff. Fühlt sich gut an. »Egal, was dein Problem ist, etwas kaputt hauen macht es besser.« Der Hammer-Typ schaut mir direkt in die Augen. »Es liegt in der Natur des Menschen, Dinge kaputt machen zu wollen.«
Ich packe den Griff so fest, dass meine Knöchel weiß hervortreten, und bahne mir meinen Weg durch den Flur. Ich stehe in einem riesigen Raum und starre auf eine silberne Wand, auf die ein riesiges schwarzes Raumschiff gemalt ist. Ich bin wie betäubt, mein Kopf ist völlig leer. Ich reiße den Hammer hoch in Richtung Decke und spüre, wie sein Gewicht an meiner Schulter zerrt. Als der Hammer am obersten Punkt des Bogens angekommen ist, fühlt es sich einen Moment lang an, als sei die Zeit stehen geblieben. Dann geht es wieder abwärts. Der Kopf des Hammers kollidiert mit der Wand, und nach einem kaum spürbaren Widerstand geht er mit einem leisen Knirschen durch, als wäre eine Eierschale zerborsten. Eine Wolke Gipsstaub steigt wie Rauch aus dem neuen Loch auf. Gerade eben war da noch eine solide Mauer, die wer weiß wie lange dort gewesen ist, aber mit einer schnellen Bewegung hat sie sich in einen leeren Raum und einen Haufen Schutt verwandelt. Und dafür bin ich verantwortlich. Ich stehe da, schaue auf das Loch mit dem gezackten Rand und fühle mich auf seltsame Weise erleichtert.
Aber das hält nur eine Sekunde lang an, denn dann beginnen die Schreie – eine Mädchenstimme, die wieder und wieder
dasselbe Wort ruft, das ich aber nicht verstehe. Und dann beginnen haufenweise Leute, an mir vorbeizurennen, eine wogende Masse aus Armen, Beinen und Köpfen. Ein Mädchen stolpert über ihre Pfennigabsätze, und ein Junge greift nach ihr, zieht sie unter seinen Arm und schleppt sie mit sich. Ihre dünnen Beinchen baumeln ein paar Zentimeter über dem Boden.
Und dann sehe ich den Rauch, dick und undurchdringlich, eine unmöglich scheinende Menge. Ich fange an zu husten. In meinem Kopf schreie ich, aber mein Körper ist zu Eis erstarrt. Stunden vergehen, Tage vergehen, Jahre vergehen in der Sekunde, bevor direkt neben meinem Kopf eine Stimme brüllt: »LAUF!« Ich erwache wieder zum Leben. »LAUF!« Und diesmal gehorche ich.
Die Luft ist weiß vor Rauch. Ich weiß nicht, in welche Richtung ich fliehen soll, aber ich sehe den Rücken eines Mädchens vorwärts taumeln und folge ihr. Ich atme, aber das bringt mir keine Erleichterung, die Luft funktioniert irgendwie nicht richtig. Ich renne keuchend vorwärts, meine Augen brennen. Ich höre Stimmen, sehe aber nur Weiß überall. Ich strecke die Arme nach vorne, aber der Rauch ist so dick, dass ich meine Hände nicht sehen kann. Ich renne weiter, weiter, nur weiter.
Endlich stürze ich auf den Rasen vor dem Haus und ringe nach Atem. Die Luft ist süßer als alles, was ich jemals geschmeckt habe. Die Musik ist verstummt und draußen stehen mehrere Hundert Menschen. Die Piraten, die Meerjungfrauen, die Stelzengänger, das Mädchen mit der Körperbemalung, ein paar Jungs, die aussehen, als seien sie aus der
Zukunft, ein paar Mädchen, die als sexy Roboter verkleidet sind. Freshie und ihre Freundin. Sie alle stehen mit dem gleichen verdutzten Gesichtsausdruck hier draußen, als würden sie sich fragen, was da gerade eigentlich passiert ist.
Ich stehe keuchend zwischen ihnen. Aber wo zum Henker ist Amanda? Ich schaue nach links und nach rechts, habe aber nicht lange Zeit, mir Sorgen zu machen, denn mein Telefon klingelt. Sie ist es. »VERDAMMTE SCHEISSE, ELLIE!«
Ihre Worte sprudeln maschinengewehrschnell, und obwohl ich draußen stehe und in Sicherheit bin, macht mir die Panik in ihrer Stimme Angst. Amanda gerät nie in Panik. »Ich war beim Auto und habe mit Eric telefoniert, dann roch ich den Rauch und sah das Feuer. Ich bin runtergerannt, und OH MEIN GOTT!« Ich sage ihr, wo ich bin, und sie sagt, sie sei gleich bei mir. Danach schaue ich mir einfach nur die Flammen an.
Habt ihr jemals gesehen, wie ein Haus niederbrennt? Wenn Aliens von einem anderen Planeten hier landen würden, die nicht wüssten, was ein Feuer bedeutet, dann fänden sie es sicherlich schön, fast zärtlich. Zarte orangefarbene, goldene und rote Flammen, die das Haus sanft niederzwingen.
Ein paar Minuten später legt Amanda die Arme um mich. Wir drücken uns fest. In der Ferne höre ich die Sirenen.
»Ellie«, sagt Amanda. »Lass uns nach Hause gehen.«
Wir laufen den Hügel hinauf, dem Rauchgeruch davon. Als wir oben sind, ist
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