Mount Dragon - Labor des Todes
werde gleich zum Grund meines Besuchs kommen«, sagte Perlstein und sah Levine mit seinen schwarzen Augen unter zusammengezogenen Augenbrauen vorwurfsvoll an. Levine nickte.
»Sie haben behauptet, Ihr Vater sei Jude gewesen und habe anderen Juden in Polen das Leben gerettet und daß er von den Nazis gefaßt und von Dr. Mengele in Auschwitz umgebracht worden sei.«
Obwohl Levine der Ton des Mannes ganz und gar nicht gefiel, sagte er nichts.
»Angeblich soll er bei einem der medizinischen Experimente des SS-Arztes getötet worden sein. Ist das richtig?«
»Ja«, sagte Levine.
»Und woher wissen Sie das alles?« fragte Perlstein. »Entschuldigen Sie bitte, Mr. Perlstein, aber ich bin mir nicht sicher, ob mir der Ton Ihrer Fragen gefällt.« Perlstein starrte ihn mit unverminderter Intensität an. »Es geht hier nicht um den Ton, sondern um den Inhalt meiner Frage. Und der ist einfach genug. Ich will wissen, woher Sie die Informationen über Ihren Vater haben.« Levine bemühte sich, seinen Ärger hinunterzuschlucken. Er hatte diese Geschichte so oft bei Interviews und auf Wohltätigkeitsveranstaltungen erzählt, daß sie Perlstein ohne Zweifel bekannt war. »Ich habe mir diese Informationen selbst beschafft«, sagte er schließlich. »Mir war bekannt, daß mein Vater in Auschwitz umgekommen war, aber nicht viel mehr. Meine Mutter starb, als ich noch sehr jung war. Ich mußte einfach wissen, was mit meinem Vater geschehen ist. Also habe ich fast vier Monate lang in Deutschland und Polen alte Naziarchive durchforstet. Das war damals nicht ganz ungefährlich, das können Sie mir glauben. Als ich herausfand, was mit ihm passiert war - nun, Sie können sich sicher vorstellen, wie ich mich dabei gefühlt habe. Diese Erkenntnis hat meine Einstellung zur Wissenschaft, insbesondere zur Medizin, grundlegend verändert. Gerade in Fragen der Gentechnologie habe ich daraufhin...«
»Diese Unterlagen über Ihren Vater«, unterbrach Perlstein ihn brüsk. »Wo haben Sie die gefunden?«
»In Leipzig, wo fast alle derartigen Unterlagen lagern. Aber das wissen Sie doch bestimmt.«
»Und Ihre Mutter hat Sie kurz vor der Befreiung in einem Konzentrationslager geboren und danach in die USA gebracht?
Und dann nahmen Sie ihren Namen an und nicht den Ihres Vaters, der Berg hieß?«
»Das stimmt.«
»Eine rührende Geschichte«, sagte Perlstein. »Seltsam ist nur, daß Berg eigentlich kein jüdischer Name ist.« Levine setzte sich gerade hin. »Der Ton in Ihrer Stimme gefällt mir ganz und gar nicht, Mr. Perlstein. Bitte sagen Sie mir jetzt, weshalb Sie hier sind, und verlassen Sie danach mein Büro.« Der Mann öffnete seine Tasche und holte einen Aktenordner hervor, den er mit angeekeltem Gesichtsausdruck auf die Tischkante legte. »Sehen Sie sich diese Dokumente doch einmal durch«, sagte er und schob den Ordner mit spitzen Fingern näher an Levine heran.
Dieser öffnete den Ordner und fand darin ein dünnes Bündel fotokopierter Dokumente. Er erkannte sie sofort an der Frakturschrift und den Stempeln mit dem Hakenkreuz und erinnerte sich an die schrecklichen Wochen hinter dem Eisernen Vorhang, wo er in muffigen DDR-Archiven unzählige Stapel von modrigen Akten durchgesehen hatte. Nur das überwältigende Verlangen danach, die Wahrheit über seinen Vater herauszufinden, hatte ihn damals durchhalten lassen. Das erste Dokument war die Farbkopie eines Parteiausweises der NSDAP, das einen gewissen Heinrich Berg als Obersturmführer der SS auswies, der im Konzentrationslager von Ravensbrück eingesetzt war. Das Foto darin war offenbar bestens erhalten und wies eine große Ähnlichkeit mit ihm, Levine, auf. Mit ungläubigem Staunen blätterte er durch die restlichen Fotokopien. Es waren Befehle, Dienstpläne und andere Dokumente, darunter der Bericht eines amerikanischen Armeeoffiziers, dessen Kompanie das Konzentrationslager befreit hatte, und der Brief einer Überlebenden aus Israel mit einer beigefügten eidesstattlichen Erklärung. Aus den Dokumenten ging hervor, daß eine junge polnische Jüdin namens Myrna Levine im Konzentrationslager Ravensbrück Kontakt mit Berg bekommen hatte, der sie zu seiner Geliebten gemacht und später nach Auschwitz abgeschoben hatte. Dort hatte sie nur deshalb bis Kriegsende überlebt, weil sie Häftlinge, die im Lager Widerstand leisteten, an die Deutschen verraten hatte.
Levine blickte von den Dokumenten zu Perlstein, der ihn anklagend anstarrte.
»Wie können Sie es wagen, mit solchen Lügen
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