Mount Dragon - Labor des Todes
wenigsten Kraft. De Vaca neben ihm tat dasselbe. Schweigend ritten sie durch die samtigschwarze Nacht. Carson sah auf die Uhr. Es war ein Uhr morgens. Sie hatten noch vier Stunden bis zur Morgendämmerung, in denen sie fünfunddreißig Kilometer zurücklegen konnten, wenn sie in dieser Geschwindigkeit weiterritten. Damit würden sie einen Punkt knapp dreißig Kilometer nördlich von Mount Dragon erreichen und hätten dann noch über hundertsechzig Kilometer vor sich. Carson atmete noch einmal tief durch. Da war eine gewisse Kühle in der Luft, die ihn auf Morgentau hoffen ließ.
Weil an ein Weiterreiten während der Hitze des Tages überhaupt nicht zu denken war, mußten sie einen Unterschlupf für sich und die Pferde finden; am besten eine versteckte Senke, in der sich die Tiere bewegen und ein bißchen Wüstengras fressen konnten.
»Sie haben mir doch mal erzählt, daß Ihre Vorfahren 1598 durch diese Wüste gezogen sind«, sagte Carson. »Stimmt. Und erst zweiundzwanzig Jahre später sind die Pilgerväter mit der Mayflower am Plymouth Rock gelandet.« Carson ignorierte die spitze Bemerkung. »Haben Sie mir dabei nicht auch etwas von einer Quelle erzählt?«
»Ja, von der Ojo delÄguih. Ein Apache zeigte meinen Vorfahren die versteckte Quelle, als ihnen in der Mitte der Jornada das Wasser ausging.«
»Und wo war diese Quelle?«
»Das weiß ich nicht. Die genaue Ortsbezeichnung ist später verlorengegangen. Aber man sagt, sie soll in einer Höhle irgendwo am Fuß der Fra-Cristobal-Berge sein.«
»Großer Gott, die Fra-Cristobal-Berge sind ein über hundert Kilometer langer Gebirgszug.«
»Als ich diese Geschichte hörte, hatte ich nicht vor, eine geographische Abhandlung darüber zu schreiben, okay? Ich weiß nur noch, daß mein abuelito sagte, es sei eine warme Quelle in einer Höhle gewesen und daß das Wasser in diese Höhle abgeflossen sei.«
Carson schüttelte den Kopf. In der Lava und den Bergen gab es unzählige Höhlen. Hier eine unterirdische Quelle zu finden, die man nicht einmal an dem das Wasser umgebenden Grün erkennen konnte, war ein Ding der Unmöglichkeit. Schweigend trabten sie weiter. Die einzigen Geräusche waren der Hufschlag der Pferde, das Klirren des Zaumzeugs und das leise Knarren der ledernen Sättel. Ein weiteres Mal blickte Carson hinauf in den Himmel. Es war eine schöne Nacht, und unter arideren Umständen hätte er diesen Ritt sehr genossen. Wieder atmete er tief ein. Jetzt war er sich sicher, daß es Tau geben würde. Das war ein Glück, denn es bedeutete, daß die Pferde es auch ohne Wasser fünfzehn Kilometer weiter schaffen würden.
Levine besah sich die letzte, unvollständig gebliebene Seite von Carsons Datenübertragung und sicherte sie auf die Festplatte seines Notebooks.
Clown, sind Sie sicher, daß das von Carson kommt? tippte er.
Klar doch, kam die prompte Antwort. Scopes war echt clever. Demütigend clever, was mich anbetrifft. Er hat mein Eindringen in sein System bemerkt und eine programmtechnische Falle aufgestellt Als Carson sich an uns wandte, ging der Softwarealarm los.
Das kapiere ich nicht, Clown.
Der tückische Bastard Scopes hat so etwas wie einen programmtechnischen Stolperdraht über meinen geheimen Pfad gespannt, in den Carson dann hineingelaufen und damit voll auf die virtuelle Schnauze gefallen ist. Aber das, was er an Daten vorher überspielt hat, war noch im Netz, so daß ich es mir herausfischen konnte. Könnte es sein, daß Sie dabei beobachtet wurden? tippte Levine.
Beobachtet? Ich? DINL. Was heißt das? DINL? Daß ich nicht lache. Dazu habe ich mich viel zu gut abgesichert. Schon der Versuch würde heillos im Netzwerksumpf steckenbleiben. Aber Scopes scheint mich gar nicht finden zu wollen. Seine Taktik ist ganz offenbar eine andere. Er hat einen Graben ums GeneDyne-Netz gezogen. Wie meinen Sie das? fragte Levine. Er hat die Telefon-, Fax- und Computerleitungen ins GeneDyne-Hauptquartier physikalisch unterbrochen, so daß es auf diesem Weg für die Außenwelt nicht mehr erreichbar ist. Wenn das stimmt, was ich eben gelesen habe, dann ist PurBlood mit irgend etwas Schrecklichem verunreinigt, und Scopes ist selbst ein Opfer von diesem Zeug geworden. Glauben Sie, er weiß das? Ist das vielleicht der Grund dafür, daß er die Zugänge dichtgemacht hat? Wohl kaum, antwortete der Clown. Als ich nämlich mitbekam, daß Carson uns zu erreichen versuchte, habe ich mich selbst in den Cyberspace von GeneDyne eingeschlichen und sah nach ein paar
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