Mount Dragon - Labor des Todes
haben Sie eine gute Chance, zu Scopes vorzudringen. Vorher müßte ich allerdings noch ein paar Kleinigkeiten erledigen. Ich bin kein Hacker, Clown. Sie müßten schon mitkommen. Das kann ich nicht. Warum nicht? Sie leben doch sicher irgendwo in Nordamerika und könnten in spätestens fünf Stunden mit dem Flugzeug nach Boston kommen. Ich zahle Ihnen natürlich den Flug. Das geht nicht. Und warum nicht? Ich kann einfach nicht. Verstehen Sie denn nicht, daß das hier kein Spiel mehr ist? Hier geht es um das Leben von vielen tausend Menschen. Passen Sie auf, Professor. Ich kann Ihnen helfen, in das Gebäude zu gelangen, und ich werde Ihnen zeigen, wie Sie mit mir in Kontakt treten können, wenn Sie erst einmal drinnen sind. Wenn Sie zu Scopes gelangen wollen, müssen Sie mehrere Sicherheitssperren umgehen. Das würden Sie in der Realität niemals schaffen, also bleibt Ihnen nur der Umweg über den Cyberspace, kapiert? Ich werde Ihnen ein paar Angriffsprogramme überspielen, die ich speziell für diesen Zweck geschrieben habe. Mit denen kommen Sie an Scopes ran. Aber ich brauche Sie vor Ort, Clown, nicht als Langstrecken-Hotline. Ich habe Sie eigentlich nie für einen Feigling gehalten. Warum kneifen Sie ausgerechnet jetzt?
Das Display wurde mit einem Schlag dunkel, und Levine fragte sich voller Ungeduld, was für ein Hackerspielchen der Clown nun schon wieder mit ihm vorhatte. Auf einmal erschien eine Zeichnung:
Levine starrte verdutzt das Bild an. Es war so unvermittelt aufgetaucht, daß er mehrere Sekunden brauchte, bis er begriff, daß es sich dabei um eine chemische Strukturformel handelte. Als er das erst einmal kapiert hatte, dauerte es nicht mehr lange, bis er wußte, was die Formel darstellte.
»Großer Gott«, flüsterte er. »Thalidomid. Der Clown ist ein Contergankind.«
Jetzt wußte er, warum der Hacker nicht nach Boston kommen konnte und warum er so erbittert gegen die großen pharmazeutischen Firmen kämpfte und ihn, Levine, bei seinem Feldzug gegen GeneDyne unterstützte.
Levine hörte, wie jemand an seiner Zimmertür klopfte. Er stand auf und öffnete sie.
Draußen stand ein ungepflegt wirkender Hotelpage in einer roten Uniform, die ihm mehrere Größen zu klein war, und hielt ihm einen Drahtbügel hin, auf dem zwei dunkelbraune, in schützende Klarsichtfolie verpackte Kleidungsstücke hingen. »Ihre Uniform ist aus der Reinigung zurück«, sagte er. »Aber ich habe doch gar nicht...«, fing Levine an. Dann brach er mitten im Satz ab, dankte dem Pagen und schloß die Tür. Da er nichts in die Reinigung gegeben hatte, mußte der Clown ihm die Sachen besorgt haben.
An dem Durcheinander von Spuren am Rand des Lavastroms erkannte Nye, daß Singers Geländewagen hier angehalten hatten und dann kreuz und quer herumgefahren waren. Auf diese Weise hatten sie mit ihrer Inkompetenz Carsons und de Vacas Spuren verwischt. Dann waren die Fahrzeuge auf die Lava hinaufgefahren und hatten überall Kratzer im Gestein hinterlassen. Dieser Trottel Singer kannte nicht einmal das erste Gebot des Fährtensuchers: Zerstöre niemals die Spur, der du folgst. Als Nye dastand und nachdachte, hörte er aus der Dunkelheit wieder die Stimme, die zu ihm sprach. Jetzt konnte er ihre Worte viel besser verstehen als beim erstenmal. Carson sei, als er erst einmal die Lava erreicht hatte, nicht weiter nach Süden geritten, sagte die Stimme, sondern entweder in westlicher oder in östlicher Richtung, weil er damit seine Verfolger abzuschütteln hoffte. Erst dann sei er entweder nach Norden oder weiter nach Süden gezogen.
Nye flüsterte Muerto ein Kommando zu, und das Pferd blieb stehen. Nye stieg ab und kletterte mit der Taschenlampe in der Hand auf die Lava. Dort ging er von der Stelle, an der Singers Geländewagen ihre Kratzer hinterlassen hatten, etwa hundert Meter nach Westen und leuchtete dabei mit der Taschenlampe den Boden ab. Er suchte nach Hufeisenspuren. Als er keine fand, versuchte er es auf der anderen Seite. Und dort entdeckte er an einem Felsen eine helle Stelle, gegen die vor kurzem ein Hufeisen geschlagen haben mußte. Um sicherzugehen, suchte er weiter, bis er wieder einen weißlichen Kratzer an einem schwarzen Lavastein gefunden hatte. Daneben war gleich ein weiterer und dazu ein umgedrehter Stein, wo offenbar ein Pferd gestrauchelt war. Die Spur war unverkennbar, und Nye brauchte ihr nur zu folgen. Carson und die Frau hatten also wirklich eine Wendung um neunzig Grad gemacht und waren nach Osten geritten. Aber
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