Mount Dragon - Labor des Todes
paar Stunden Mittagshitze zugesetzt hatten. Eigentlich hatte Carson vorgehabt, den Tieren erst am Abend Wasser zu geben, jetzt aber war ihm klar, daß sie, ohne etwas zu trinken, den Sonnenuntergang nicht mehr erleben würden.
Carson blieb abrupt stehen. Susana ging noch ein paar Schritte weiter und hielt dann, ohne ein Wort zu sagen, ebenfalls an. »Wir müssen den Pferden Wasser geben«, sagte Carson. Beim Sprechen schmerzte seine ausgetrocknete Kehle. De Vaca hockte sich wortlos in den Schatten ihres Pferdes und senkte den Kopf.
Carson ging hinüber zu ihrem Pferd, öffnete eine von Nyes Satteltaschen und schob die Hufeisen zur Seite, die er am Vormittag hineingesteckt hatte. Dann holte er die Feldflasche heraus, nahm seinen Hut ab und füllte ihn bis fast zum Rand mit Wasser. Allein beim Anblick des Wassers, das aus der Feldflasche floß, verkrampfte sich sein Hals vor Durst. Roscoe, der halb tot neben ihm stand, hob auf einmal den Kopf und trat auf ihn zu. Er sog das Wasser in Sekundenschnelle heraus und biß dann in den Hut, als könne er damit noch den letzten Tropfen herausquetschen. Gereizt gab Carson ihm einen Schlag auf die Schnauze und entwand ihm den Hut, woraufhin das Pferd mit den Hufen scharrte und wütend schnaubte. Carson füllte den Hut ein zweites Mal und brachte ihn de Vacas Pferd, das seinen Inhalt gierig in sich hineintrank. Damit war die erste Feldflasche leer. Carson holte die zweite, gab jedem der Pferde noch einen halben Hut voll Wasser und schraubte die Flasche wieder zu. Die Pferde waren jetzt ganz erregt. Sie schnaubten und drehten mit weit geöffneten Augen die Köpfe. Carson hatte nichts anderes erwartet. Als er die zweite Feldflasche wieder in die Satteltasche steckte, hörte er darin etwas rascheln. Er langte hinein und fand an der Klappe der Tasche eine aufgegangene Naht, aus der ein Stück vergilbtes Papier heraussah. Es war das Papier, das Nye an dem Abend nach dem Sandsturm im Stall vom Staub gereinigt hatte. Carson zog es heraus und besah es sich neugierig. Es war ziemlich zerfetzt und in Wirklichkeit gar kein Papier, sondern ein Stück altes Pergament. Carson blickte auf eine rohe Skizze von Bergen und einer merkwürdig geformten, schwarzen Masse. Daneben befanden sich viele Markierungen und darüber, in einer altertümlich geschwungenen Handschrift, die spanischen Worte: AI despertar la hora el äquila del sol se kvanta en un aguja del fuego »Bei Sonnenaufgang steht der Adler der Sonne auf einer Nadel aus Feuer«. Ganz unten stand, neben weiteren Sätzen auf spanisch, ein Name: Diego de Mondragon.
Auf einmal wurde Carson alles klar. Wären seine Lippen nicht so trocken gewesen, hätte er am liebsten laut losgelacht. »Susana!« rief er. »Nye hat nach dem Schatz von Mount Dragon gesucht. Nach dem Gold von Mondragon! Der verrückte Kerl hat eine Schatzkarte in seiner Satteltasche versteckt.« De Vaca blickte aus dem Schatten ihres Pferdes heraus uninteressiert auf die Karte, die Carson ihr hinhielt. Carson schüttelte ungläubig den Kopf. Es war so lächerlich und paßte überhaupt nicht zu Nye, der zwar merkwürdig, aber kein Idiot war. Und doch hatte er ganz offenbar im Hinterzimmer irgendeines staubigen Trödlerladens in Santa Fe diese Karte gekauft und möglicherweise sogar ein Vermögen dafür bezahlt. Carson hatte schon viele solcher Karten gesehen; sie herzustellen und an Touristen zu verhökern war hier in New Mexico ein blühender Geschäftszweig. Kein Wunder, daß Nye so allergisch darauf reagiert hatte, als Carson ihn in der Wüste verfolgt hatte: Er hatte wohl geglaubt, Carson wolle ihm seinen imaginären Schatz stehlen.
Aber je mehr Carson nachdachte, desto weniger amüsierte ihn die Sache. Ganz offensichtlich hatte Nye schon längere Zeit nach diesem Schatz gesucht. Am Anfang war es wohl nichts weiteres gewesen als Neugier, die sich jetzt, unter dem Einfluß von PurBlood, möglicherweise bis zur Besessenheit gesteigert hatte. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb Nye, der sicherlich das Fehlen seiner Satteltaschen bemerkt hatte, ihn und de Vaca so gnadenlos verfolgte.
Carson besah sich die Karte noch einmal genauer. Sie zeigte eine Kette von Bergen, und die schwarze Masse daneben sollte vermutlich die Lava darstellen. Weil Nye aus der alten Legende wußte, daß Mondragons besticktes Wams am Fuß des Mount Dragon gefunden worden war, hatte er seine Suche vermutlich auf die Gegend rund um den Berg konzentriert. Das also hatte Nye an den Wochenenden in der
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