Mount Dragon - Labor des Todes
im Norden der Jornada ausgedehnte Lavafelder eingezeichnet, die allerdings nicht genau vermessen waren und deshalb lediglich durch großflächige Schraffuren angedeutet waren, auf denen Höhenlinien oder Entfernungsangaben fehlten. Was die Lava anbetraf, konnte man sich auf die Karten nicht verlassen.
Am nördlichen Rand der Wüste fand Nye eine Reihe von erloschenen Vulkanen verzeichnet, die auf der Karte »Kraterkette« genannt wurden. Daneben sah er eine Hochfläche aus Lava, die bis an den Fuß des Fra-Cristobal-Gebirges heranreichte. Dort entdeckte Nye auf der Karte eine schmale Schlucht in der Lava, die so aussah, als sei sie der einzige Weg aus der Jornada-Wüste heraus, auf dem man nicht endlos lange über Lavafelder reiten mußte.
Der Junge beugte sich über Nyes Schulter. »Siehst du? Was habe ich dir gesagt, Chef? An der Schlucht kannst du ihn abfangen.« Dreißig Kilometer hinter der Schlucht entdeckte Nye auf der Karte das Symbol für eine Windmühle -ein Dreieck mit einem X darüber - und einen schwarzen Punkt, der für eine Viehtränke mit Wasserbehälter stand. Daneben war ein winziges, schwarzes Quadrat, neben dem »Lava Camp« stand. Nye wußte, daß das ein Außenlager für die Ranch sein mußte, die noch mal dreißig Kilometer weiter nördlich lag und auf der Karte als »Diamond Bar Ranch« eingezeichnet war.
Das also war Carsons Ziel. Nye wäre jede Wette darauf eingegangen, daß der Hurensohn dort als Junge gearbeitet hatte. Vom Mount Dragon waren es über hundertsechzig Kilometer bis zum Lava Camp und immerhin hundertzwanzig bis zur Schlucht. Das bedeutete, daß Carson von hier aus immer noch an die hundert Kilometer vor sich hatte, bis er zur Windmühle und dem Wassertank kam. Kein Pferd der Welt konnte diese Distanz zurücklegen, ohne zumindest einmal getränkt zu werden. Carson und die Frau hatten also nicht die geringste Chance, es bis dahin zu schaffen.
Trotzdem, je länger Nye auf die Karte schaute, desto überzeugter war er, daß Carson auf die Schlucht zusteuerte. Carson würde nur so lange auf dem Lavafeld bleiben, bis er Nye abgeschüttelt hatte, und dann schnurstracks auf die Schlucht und das darunterliegende Lava Camp zureiten, wo er Wasser, etwas zu essen und vielleicht sogar Menschen mit einem Funktelefon finden würde.
Nye rollte die Karten wieder zusammen und sah sich um. Die Lava schien sich zwar immer noch in jeder Richtung bis zum Horizont zu erstrecken, aber er wußte jetzt, daß der westliche Rand des Feldes nur eineinhalb Kilometer von ihm entfernt war. Der Plan, der in seinen Gedanken langsam Gestalt annahm, war eigentlich sehr einfach. Er würde so schnell wie möglich das Lavafeld verlassen und zur Schlucht reiten. Carson konnte ja nicht wissen, daß er diese Karten hatte, möglicherweise aber hatte er irgendwie herausgefunden, daß Nye sich im nördlichen Teil der Jomada nicht so gut auskannte. Also würde er niemals erwarten, daß Nye ihm an der Schlucht auflauern würde. Vermutlich dachte er vor lauter Durst ohnehin nur daran, wie er möglichst schnell zu einer Wasserstelle kam. Trotzdem würde Nye kein Risiko eingehen und in einem so weiten Bogen zur Schlucht reiten, daß Carson nicht aus Zufall auf seine Spur stoßen konnte. Dank seiner Wasservorräte und Muertos Schnelligkeit würde er jedenfalls lange vor Carson an der Schlucht sein. Und dort wollte er Carson und sein Flittchen im Mündungsfeuer seines treuen Holland & Holland sterben sehen.
Die Geier, die jetzt vielleicht noch einen Kilometer entfernt waren, kreisten nach wie vor langsam im warmen Aufwind. Carson und de Vaca gingen schweigend vor ihren Pferden her über die Lava. Es war zwei Uhr nachmittags, und das glühend heiße Gestein kam ihnen vor, als wäre es ein riesiger, dunkelblauer See. Es war Carson unmöglich, die Augen zu öffnen und sich kein Wasser vorzustellen.
Als Carson sich gestattete, über seinen Durst nachzudenken, fand er ihn so qualvoll wie noch nie zuvor. Seine dick geschwollene Zunge lag ihm vollkommen gefühllos im. Mund, wie ein trockener Kalkklumpen, und seine Lippen waren aufgesprungen und fingen an, eine klare Flüssigkeit abzusondern. Mit jedem Schritt bohrte sich der Durst tiefer in seine Gedanken, bis Carson sich schließlich einbildete, die Wüste sei ein einziges, riesiges Feuer, dessen Hitze ihn wie ein Stück ausgebrannte Asche hinauf in den strahlend hellen Himmel hob. Auch die Pferde litten unter starkem Wassermangel. Es war kaum zu glauben, wie sehr ihnen die
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