Mount Dragon - Labor des Todes
Rande eines kleinen Fischerortes auf der dem Wind abgewandten Seite der Insel stand.
In diesem Haus, das wurde Levine mit einemmal klar, würde er Brent Scopes finden.
Levine begann, einem Pfad zu folgen, der in einen dunklen Fichtenwald im Inneren der Insel führte. Als er die Küste verließ, fiel ihm auf, daß der merkwürdige Gesang, der ihn bisher durch Scopes' Cypherspace-Welt begleitet hatte, hier auf der Insel nicht zu hören war. Statt dessen umgaben ihn Geräusche, an die er sich noch gut erinnerte: der Schrei einer Möwe, das Donnern der Brandung und das Pfeifen des Windes. Je tiefer er in den Wald vordrang, desto mehr trat das Geräusch des Meeres in den Hintergrund und wurde vom Ächzen der knorrigen Fichtenäste ersetzt. Als Levine weiterging, kam ein leichter Nebel auf. Er war erstaunt, wie gut er sich inzwischen an die Fortbewegung in dieser virtuellen Welt gewöhnt hatte. Das große Bild an der Wand des Aufzugs und die Geräusche aus dem Lautsprecher gaben ihm -ebenso wie die Geschmeidigkeit, mit der das Programm auf jede Bewegung des Trackballs reagierte ein Gefühl von perfekter Illusion.
Als der Pfad sich verzweigte, versuchte Levine sich vergeblich daran zu erinnern, in welcher Richtung es in den Ort ging. Schließlich nahm er aufs Geratewohl den linken Weg, der hinunter in eine Senke und auf einer Brücke über einen schmalen Bach führte, an dessen Ufern Huflattich und Bärlauch wuchsen. Danach ging es durch eine enge Schlucht und immer tiefer in den Wald hinein, bis der Pfad auf einmal nicht mehr vorhanden war. Levine machte kehrt, aber der Nebel war inzwischen so dicht geworden, daß er nur noch die schwarzen, flechtenbewachsenen Baumstämme erkennen konnte, die ihn von allen Seiten her umgaben. Er hatte sich verlaufen. Levine dachte nach. Die Ortschaft, das wußte er noch, lag auf der Westseite der Insel. Aber wo war Westen?
Auf einmal bemerkte Levine links von sich im Nebel eine Gestalt. Es war ein Mann, der mit raschen Schritten durch den Nebel ging. Auf einmal blieb der Mann stehen, drehte sich langsam um und sah Levine, an den Baumstämmen vorbei, an. Levine seinerseits starrte auf den Mann und fragte sich, ob er ein paar Worte zur Begrüßung tippen sollte. Dann sah er auf einmal einen Lichtblitz und hörte aus dem Lautsprecher einen lauten Knall. Mit einem Schlag wurde Levine klar, daß der Mann auf ihn geschossen hatte. Vermutlich war er eine Art Wächter-Algorithmus im Cypherspace-Programm. Aber wieviel konnte er sehen, und warum schoß er auf ihn?
Auf einmal hörte Levine aus dem Lautsprecher des Aufzuges eine laute und durchdringende Stimme. Es war die Stimme von Brent Scopes.
»Achtung, an alle Sicherheitskräfte! Im GeneDyne-Computer wurde ein Eindringling entdeckt. Da alle Verbindungen nach draußen unterbrochen sind, muß sich die Person hier im Gebäude befinden. Finden Sie auf der Stelle heraus, wo er sich aufhält, und nehmen Sie ihn fest.«
Mit dem Betreten der Insel hatte Levine offenbar auch das Sicherheitssystem des GeneDyne-Supercomputers aktiviert. Was würde geschehen, wenn ihn ein Schuß aus der Waffe des Mannes wirklich traf? Vielleicht schaltete sich dann das Cypherspace-Programm ab, und er war wieder genauso weit von Scopes entfernt, wie er es gewesen war, als er dieses Gebäude betreten hatte.
Die dunkle Gestalt schoß schon wieder. Levine drehte sich um und floh in den Wald. Während er sich mit dem Trackball durch den Nebel manövrierte, sah er noch mehr dunkle Gestalten und weitere Lichtblitze. Schließlich wurde der Wald dünner, und er gelangte auf eine ungeteerte Straße.
Levine blieb kurz stehen und sah sich um. Die Gestalten schienen verschwunden zu sein. So schnell es ihm sein Trackball gestattete, eilte Levine die Straße entlang, wobei er immer wieder die Ohren spitzte, ob sich ihm jemand näherte. Als er plötzlich ein Geräusch hörte, bewegte er sich rasch zwischen die Bäume und ging in Deckung. Kurz darauf zog eine Gruppe von schattenhaften Gestalten mit Schußwaffen in den Händen an ihm vorüber. Er wartete, bis sie verschwunden waren, und trat wieder hinaus auf den Weg. Bald verwandelte sich der Feldweg in eine Teerstraße, die nach unten zum Meer führte. Der Nebel hatte sich gelichtet, so daß Levine jetzt die Dächer der Ortschaft sehen konnte, die sich um einen weißen Kirchturm in der Mitte scharten. Gleich hinter der Kirche entdeckte er den langgestreckten Bau des Inselgasthofs.
Vorsichtig betrat Levine die verlassene Ortschaft,
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