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Mount Dragon - Labor des Todes

Titel: Mount Dragon - Labor des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston , Lincoln Child
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hilflos an die Wand des Aufzugs zurück. Wie hatte er vor lauter Eifer nur vergessen können, wie Scopes wirklich war? Die Diskussion erinnerte ihn an ähnliche Auseinandersetzungen, die er schon auf dem College mit ihm geführt hatte. Bereits damals war es ihm nie gelungen, Scopes dazu zu bringen, daß er eine einmal gebildete Meinung wieder revidierte. Wie sollte er es dann jetzt schaffen, wo so viel auf dem Spiel stand?
    Lange Zeit sagte Levine nichts. Er manövrierte sich mit dem Trackball an eines der Fenster des Turmes und sah hinaus. Das Licht des Vollmonds schimmerte auf dem Meer wie eine Straße aus glitzernder Seide. Ein Fischerboot tuckerte mit hochgezogenen Netzen auf den Hafen zu. Jetzt, wo sie beide schwiegen, glaubte Levine die Brandung auf den Felsen unterhalb des Hauses hören zu können, und sah in einiger Entfernung das Blinken des Leuchtturms von Pemaquid Point. »Beeindruckend, nicht wahr?« fragte Scopes. »Es ist alles da, bis auf den Geruch des Meeres.«
    Levine spürte, wie ihn eine tiefe Traurigkeit überkam. Was sich ihm hier bot, war so typisch für Scopes. Nur ein Genie war in der Lage, ein so wundervolles und hintergründiges Programm zu schreiben. Es war kaum vorstellbar, daß ein so sensibler und schöpferischer Mann Geschäfte mit einem tödlichen Virus machen konnte. Levine sah dem Fischkutter zu, dessen Lichter auf den Wellen tanzten. Er glitt jetzt langsam in den Hafen, und eine dunkle Gestalt sprang vom Deck auf den Kai und legte die Trosse um einen Poller.
    »Ich habe das Programm geschrieben, um gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen«, sagte Scopes. »Erstens wurde mein Netzwerk von Tag zu Tag größer, so daß ich es nicht mehr unter Kontrolle hatte, und zweitens wollte ich ein graphisch strukturiertes Programm haben, in dem ich mich nach Belieben bewegen konnte. Als ich mit dem Programmieren von Cypherspace anfing, habe ich mich viel mit künstlicher Intelligenz wie LISP und objektorientierten Computersprachen wie Smalltalk beschäftigt. Weil beide ihre Defizite hatten, ging ich daran, eine neue Programmiersprache zu entwickeln. Schließlich stammen die beiden Sprachen noch aus einer Zeit, in der die Rechenleistung von Computern im Vergleich zu heute geradezu winzig war. Mir aber stand eine Hardware-Performance zur Verfügung, die mit Bildern ebensogut fertig wurde wie mit Schriftzeichen. Und so baute ich meine eigene Sprache um visuelle Objekte herum auf. Der Cypherspace-Compiler erzeugt Welten und nicht bloß Programme. Es fing ganz simpel an, aber bald erkannte ich die Möglichkeiten, die mir dieses neue Medium bot, und mir wurde bewußt, daß es nach seinen eigenen Umsetzungen verlangte. Ich habe Jahre gebraucht, um diese Welt zu erschaffen, und ich arbeite natürlich immer noch daran. Am schwierigsten war es, die Programmiersprache zu schreiben und zu perfektionieren. Alles andere war, verglichen damit, ziemlich einfach.
    Du könntest dich eine Woche lang an dieses Fenster hier stellen, Charles, und würdest nichts zweimal sehen. Wenn du wolltest, könntest du jetzt hinunter an den Kai gehen und dich mit den Fischern unterhalten. Es gibt hier Jahreszeiten ebenso wie Ebbe und Flut, die sich übrigens genau nach den Mondphasen richten. Und in allen Gebäuden unten im Ort leben Menschen: Fischer, Sommergäste, Künstler. Es sind wirkliche Menschen, an die ich mich von meiner Kindheit her erinnere. Marvin Clark zum Beispiel, dem der Krämerladen im Ort gehört. Er ist vor ein paar Jahren gestorben, aber in meinem Programm lebt er immer noch. Morgen früh könntest du hinunter in seinen Laden gehen und dir von ihm ein paar Geschichten erzählen lassen. Oder du könntest eine Tasse Tee mit Hank Hitchins trinken und eine Partie Backgammon mit ihm spielen. Jede einzelne Person ist ein autonomes Objekt innerhalb des großen Programms. Sie alle agieren selbständig und treten mit anderen Objekten in wechselseitige Beziehungen, die ich niemals programmiert oder vorhergesehen habe. In dieser Hinsicht fühle ich mich ein wenig wie Gott: Ich habe diese Welt zwar erschaffen, aber nun geht sie ihre eigenen Wege, ohne daß ich eingreifen muß.«
    »Aber du bist ein selbstsüchtiger Gott«, sagte Levine. »Ein Gott, der seine Welt ganz für sich allein behält.«
    »Das stimmt. Ich hatte einfach keine Lust, sie mit jemandem zu teilen. Dazu ist sie zu intim.«
    Levine wandte sich wieder dem Zauberer zu. »Du hast die ganze Insel sehr detailgetreu reproduziert, nur dein eigenes

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