Mount Dragon - Labor des Todes
Es kann nicht verbessert werden. Wer es verändern will, verdirbt es. Wer es besitzen will, verliert es. Laotse.«
»Es schreitet der Genius des Universums gewaltig wie ein Orkan über uns hin. Jean Paul.«
»Das Universum ist ein Gedanke Gottes. Schiller«, konterte Scopes wie aus der Pistole geschossen.
»Je mehr wir glauben, das Universum zu verstehen, desto sinnloser erscheint es uns. Weinberg.«
»Sehr gut«, sagte Scopes. »Das gefällt mir.« Er hielt inne.
»Wahres Verständnis für das Universum haben nur Teenager im Drogenrausch und senile Kosmologen. Leary.«
Beide schwiegen.
»Timothy Leary?« fragte Levine dann.
»Natürlich.«
Wieder herrschte für längere Zeit Stille. »Leary hat nie etwas so Pubertäres gesagt.«
Scopes lächelte. »Wenn du es nicht glaubst, dann fordere mich doch heraus.«
Levine zögerte und dachte nach. Es war schon früher eine von Scopes' beliebtesten Strategien gewesen, am Anfang Zitate zu erfinden und sich die wirklichen für den Schluß aufzusparen, wenn Levine sein Pulver verschossen hatte. Andrerseits hatte Levine Timothy Leary in Harvard kennengelernt, und rein gefühlsmäßig klang dieses Zitat nicht nach ihm. Aber Scopes hatte sich schon früher mit Vorliebe Zitate gesucht, die ungewöhnlich für die zitierte Person waren, und Levine damit des öfteren aufs Glatteis geführt. Er sah hinüber zu Scopes, der unbeteiligt zurückstarrte. Was, wenn er Scopes jetzt herausforderte und Leary das Zitat doch gesagt hatte...Levine verbannte den Gedanken aus seinem Gehirn. Die Zeit verstrich.
»Ich fordere dich heraus«, entschied sich Levine schließlich. Scopes zuckte sichtbar zusammen, und die Farbe wich ihm schlagartig aus dem Gesicht. Erst jetzt begriff er - so, wie Levine es vor vielen Jahren begriffen hatte -, was es bedeutete, auf einen Schlag alles verloren zu haben. »Tut weh, nicht wahr?« fragte Levine. Scopes schwieg.
»Es ist ja nicht bloß die Tatsache, daß man so viel verliert, sondern wie man es verloren hat. Du wirst dich immer an diesen Augenblick erinnern und dich fragen, wie du nur einen so läppischen und doch so folgenschweren Fehler machen konntest. Glaub mir, das wirst du dir nie verzeihen. Ich weiß das, denn ich kann mein Versagen von damals bis heute nicht vergessen.« Scopes sagte noch immer nichts. Seine Hand begann nervös zu zucken, und Levine, gerade eben noch halb überwältigt von einem tiefen Gefühl der Erleichterung, erkannte, daß Scopes gar nicht daran dachte, ihm das Virus zu überlassen. Zwanzig Jahre zuvor, als Levine das Spiel verloren hatte, war er zu seinem Wort gestanden. Er hatte das Patent für X-RUST unterschrieben und Scopes die Möglichkeit eröffnet, damit reich zu werden. Jetzt hatte Scopes noch viel mehr verloren...Levine griff nach der Ampulle, einen Sekundenbruchteil bevor Scopes die Hand danach ausstreckte. Fast gleichzeitig schlössen sich ihre Hände über dem Glasgefäß, und keiner von ihnen wollte es wieder loslassen.
»Brent!« schrie Levine, während sie um das Virus rangelten. »Du hast mir dein Wort gegeben...«
Er brachte den Satz nicht zu Ende, denn auf einmal hörte er ein dumpfes, platzendes Geräusch und spürte, wie ihm etwas in die Hand stach und im nächsten Moment etwas Feuchtes daran herunterlief.
Nur mit Mühe konnte Levine sich zwingen, nach unten zu blicken. Aus der zerbrochenen Ampulle in seinen Händen tropfte die Flüssigkeit mit dem X-FLU-II-Virus auf den unterschriebenen Vertrag und lief von dort über die Tischplatte auf den grauen Schieferboden. Levine öffnete die Hände und sah, daß Glassplitter sich in die Haut gebohrt hatten und sich die Flüssigkeit aus der Ampulle mit seinem Blut mischte. Er blickte wieder auf und bemerkte, daß Scopes ebenfalls verletzt war und blutete. Ohne ein Wort zu sagen, sahen sich die beiden in die Augen.
Carson packte de Vaca am Arm und versuchte verzweifelt, ihr etwas zu sagen. »Mondragons Gold«, krächzte er schließlich und richtete sich ein wenig auf.
»Was ist damit?« flüsterte de Vaca.
»Benütze es«, hauchte Carson mit schmerzverzerrtem Gesicht und ließ sich zurück auf den Boden fallen, wo er bewegungslos liegenblieb.
Während Nyes Schritte immer näher kamen, begriff de Vaca langsam, was Carson mit seinen Worten gemeint hatte. Sie griff in ihre Hosentasche und holte die vier Münzen heraus, die sie sich aus der Höhle mitgenommen hatte. »Nye«, rief sie. »Ich habe hier etwas, das Sie bestimmt interessiert.« Dabei warf sie die
Weitere Kostenlose Bücher