Mount Dragon - Labor des Todes
Außerdem war Singers Enthusiasmus für ihn eine wohltuende Abwechslung zu BrandonSmith' ätzendem Sarkasmus und de Vacas brüsk vorgetragenem Professionalismus. Carson mochte den dicken, gutmütigen Professor aus Kalifornien, der ebenso unbürokratisch wie erfrischend direkt war, richtig gerne. Carson nahm noch einen Schluck von seinem Bourbon und entdeckte erfreut, daß Singer seine alte Martin-Gitarre mitgebracht hatte. »Was spielen Sie denn so?« fragte er.
»Hauptsächlich Bluegrass«, sagte Singer. »Aber ich bin nicht wirklich gut.«
»Deshalb haben Sie mich also nach meinem Banjo gefragt«, sagte Carson. »Ich habe das Spielen angefangen, weil mich die Sessions in den Cafes in Cambridge so fasziniert haben. Ich spiele zwar miserabel, aber das hindert mich nicht, die heiligen Werke von Scruggs, Reno, Keith und anderen Banjo-Göttern zu entweihen.«
»Das ist ja toll«, freute sich Singer, »ich arbeite mich gerade selber durch ein paar frühe Stücke von Flatt und Scruggs. Sie wissen schon, Shuckiri die Com, Foggy Mountain Specicd und lauter so Sachen. Wir müssen uns mal gemeinsam an ein paar davon versündigen. Manchmal setze ich mich bei Sonnenuntergang hier raus und spiele ein bißchen, was den anderen aber nicht unbedingt Vergnügen bereitet. Das ist bestimmt mit ein Grund dafür, daß die Kantine zu dieser Zeit immer so leer ist.« Die beiden Männer standen auf. Es war jetzt ganz dunkel und ziemlich kühl. Vorn Wohnbereich her konnte Carson die Geräusche von Schritten, Fetzen einer Unterhaltung und ab und zu Gelächter hören.
Als sie wieder in die Bar gingen, kam sie ihnen vor wie eine Insel des Lichts und der Wärme in der leeren, kalten Wüstennacht.
Eine laute Fehlzündung knallte aus dem Auspuff des sechzehn Jahre alten Ford Fiesta, als Charles Levine vor der großen Freitreppe des Ritz-Carlton-Hotels das betagte Vehikel einen Gang zurückschaltete. Als er es schließlich direkt vor dem Eingang zum Halten gebracht hatte, ging der Portier aufreizend langsam darauf zu. Es sollte offenbar kein Zweifel daran aufkommen, wie sehr er dieses heruntergekommene Gefährt verachtete -genauso wie seinen Insassen, wer immer er auch sein mochte.
Charles Levine beachtete ihn nicht. Er stieg aus und wischte sich mitten auf dem roten Teppich die Hundehaare vom Smoking - obwohl sein Hund seit zwei Monaten tot war, lagen überall im Auto noch Haare von ihm herum. Nach dieser Säuberungsaktion stieg Levine die Treppe nach oben, wo ein anderer Portier ihm die vergoldete Glastür aufhielt. Im Inneren des Hotels begrüßten ihn die Klänge eines Streichquartetts. Als Levine im hellen Licht der Lobby blinzelnd stehenblieb, kam eine Meute von Reportern auf ihn zu und fotografierte ihn von allen Seiten. »Was soll das?« fragte Levine.
Mit den Ellenbogen bahnte sich Toni Wheeler, die Pressereferentin von Levines Stiftung, einen Weg durch die Reporter und legte Levine die Hand auf den Arm. Wheeler hatte streng frisierte Haare und trug ein ebenso streng geschnittenes Kostüm. Vom Scheitel bis zur Sohle war sie so, wie man sich das von einer professionellen Public-Relations-Beauftragten erwartete: gelassen, elegant, eisenhart.
»Tut mir leid, Charles«, sagte sie rasch. »Ich wollte Sie noch informieren, aber ich habe Sie nirgends erreichen können. Es gibt eine große Neuigkeit. GeneDyne...«
Als Levine einen ihm bekannten Reporter entdeckte, fing er mit einemmal übers ganze Gesicht zu strahlen an. »Hallo, Artie!« rief er, schüttelte Wheeler ab und hob beide Hände. »Schön, daß die vierte Gewalt im Staat mal wieder so aktiv ist. Aber bitte, einer nach dem anderen. Toni, wären Sie so nett und würden an der Rezeption Bescheid geben, daß sie die Musik ein bißchen leiser drehen?«
»Charles, bitte hören Sie mir zu«, sagte Wheeler dringlich. »Ich habe gerade erfahren, daß...«
Ihre Stimme wurde von den Fragen der Reporter übertönt. »Professor Levine!« sagte einer von ihnen. »Stimmt es, daß...«
»Ich suche mir die Fragen aus«, unterbrach Levine. »Also seien Sie jetzt bitte alle still. Sie«, sagte er und deutete auf eine Reporterin direkt vor ihm. »Sie dürfen anfangen.«
»Professor Levine«, sagte die Frau mit lauter Stimme, »ich wüßte gerne Genaueres über die Anschuldigungen gegen GeneDyne, die in der letzten Ausgabe der Genetic Policy erschienen sind. Stimmt es, daß Sie einen persönlichen Kleinkrieg gegen Brent Scopes fuhren?«
Bevor Levine etwas antworten konnte, mischte sich
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