Mount Dragon - Labor des Todes
Worten brutal aus seinem Tagtraum gerissen hatte, unterbrach sie barsch. »Wenn Sie so sehr gegen das alles sind«, blaffte er in die Sprechanlage, »warum zum Teufel sind Sie dann überhaupt hier?«
»Erstens wußte ich nicht, woran ich hier arbeiten würde. Ich war der medizinischen Abteilung zugewiesen, aber als Burts Assistentin ging, mußte ich ihren Job übernehmen. Und außerdem brauche ich Geld für eine Nervenklinik, die ich in Albuquerque aufmachen will. Und zwar im Barrio.«
Sie sprach das Wort »Barrio« extra betont mit einem rollenden mexikanischen »r« aus. Carson fand diese Zurschaustellung ihrer Zweisprachigkeit besonders aufdringlich. Er selbst sprach halbwegs gutes Gringo-Spanisch, aber er hütete sich davor, es ihr zu zeigen und sich damit zu einer Zielscheibe ihres Spottes zu machen.
»Was verstehen Sie denn von Nervenheilkunde?« fragte er. »Ich habe immerhin zwei Jahre lang Medizin studiert«, sagte sie. »Ich wollte Psychiaterin werden.«
»Und warum sind Sie das nicht?«
»Ich mußte das Studium abbrechen, weil ich es mir finanziell nicht mehr leisten konnte.«
Carson dachte einen Augenblick darüber nach, dann beschloß er, daß es an der Zeit war, dieser Nervensäge Kontra zu geben. »Quatsch«, sagte er.
Eine Weile herrschte geladene Stille zwischen den beiden. »Was ist Quatsch, cabronl« fragte de Vaca schließlich und trat einen Schritt auf Carson zu.
»Das, was Sie gerade gesagt haben. Mit einem Namen wie Cabeza de Vaca hätten Sie doch jederzeit ein Stipendium bekommen müssen. Schon mal was von Minderheitenquote gehört?«
Wieder folgte langes Schweigen.
»Ich habe meinen Mann unterstützt, damit er sein Medizinstudium absolvieren konnte «.sagte de Vaca wütend. »Und als dann ich an der Reihe war, hat die canaya sich von mir scheiden lassen. Ich habe dabei mehr als ein Semester verloren, und das bedeutet beim Medizinstudium, daß man...« Sie hörte mitten im Satz auf. »Aber ich habe es doch gar nicht nötig, mich vor Ihnen zu verteidigen.«
Carson sagte nichts und bedauerte es bereits, daß er sich wieder einmal auf eine Auseinandersetzung mit ihr eingelassen hatte. »Sie glauben also«, fuhr de Vaca fort, »daß wir Mexikaner nur über die Minderheitenquote ein Stipendium bekommen können.«
»Das habe ich nicht gesagt«, entgegnete Carson und seufzte. »Ich weiß, was Sie gesagt haben. Ich hätte übrigens wirklich ein Stipendium bekommen können, aber nicht wegen meines Namens, sondern weil ich in allen Prüfungen nur Einser hatte, Sie blödes Arschloch.«
Carson glaubte, daß sie übertrieb, aber er zwang sich, den Mund zu halten.
»Halten Sie mich wirklich für eine dumme, kleine chola, die einen spanischen Nachnamen braucht, um zum Medizinstudium zugelassen zu werden?«
Verdammter Mist, dachte Carson, wieso habe ich bloß damit angefangen? Er wandte sich wieder seinem Computer zu und hoffte, daß de Vaca ihn in Ruhe lassen würde, wenn er sie ignorierte.
Auf einmal spürte er, wie sie ihn mit einer Hand an seinem Schutzanzug packte und das Gummimaterial in ihrer Faust zusammenpreßte.
»Na los, antworten Sie schon, cabron!«
Carson hob protestierend einen Arm, aber de Vaca ließ nicht los.
Auf einmal erschien die breite Figur von BrandonSmith in der Tür, und gleich darauf dröhnte ihr abstoßendes Lachen aus der Sprechanlage.
»Tut mir leid, daß ich Ihr intimes Tete-à-tete stören muß, aber ich wollte Ihnen nur mitteilen, daß die Schimpansen A-zweiundzwanzig und Z-neun wieder wohlbehalten in ihren Käfigen sind. Bisher zumindest sehen sie noch ziemlich gesund aus.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und verließ schnaubend das Labor. De Vaca öffnete den Mund, als wolle sie ihr etwas nachrufen, aber dann ließ sie Carsons Anzug los, trat einen Schritt zurück und grinste ihn an.
»Sie haben vorhin ziemlich ängstlich ausgesehen, Carson«, sagte sie.
Er sah ihr in die Augen und rief sich ins Gedächtnis, daß die Spannung und der rüde Umgangston nun einmal Auswirkungen der Arbeit im Fiebertank waren. Langsam fing er an zu ahnen, was Burt in den Wahnsinn getrieben hatte. Er mußte sich auf sein Ziel konzentrieren und auf nichts anderes...und in sechs Monaten war seine Zeit hier vorbei, ob so oder so.
Er holte sich wieder das Polypeptid auf den Schirm, drehte es um einhundertzwanzig Grad und suchte nach weiteren verwundbaren Stellen. De Vaca räumte den Sterilisator vollends leer, und im Labor kehrte wieder Stille ein. Carson fragte sich einen
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