Mount Dragon - Labor des Todes
Levine sein abgewetztes Sakko aus, warf es sich über die Schulter und sog den intensiven Geruch von frisch gemähtem Gras ein. Im Vorzimmer saß Ray und stocherte sich mit einer Büroklammer in den Zähnen herum. Als er Levine zur Tür hereinkommen sah, hörte er damit auf und brummte: »Sie haben Besuch.« Levine blieb stehen und runzelte die Stirn. »Drinnen?« fragte er und deutete auf die geschlossene Tür zu seinem Büro. »Denen hat es hier draußen bei mir irgendwie nicht gefallen«, erklärte Ray.
Als Levine die Tür öffnete, begrüßte ihn lächelnd Erwin Landsberg, der Rektor der Universität.
»Wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen, Charles«, sagte er mit seiner heiseren Stimme und streckte Levine die Hand hin. »Ich möchte Sie mit Leonard Stafford bekannt machen, dem neuen Dekan Ihrer Fakultät.« Mit diesen Worten deutete er auf einen zweiten Mann in einem grauen Anzug, der neben ihm stand.
Während Levine Landsbergs schlaffe Hand schüttelte, blickte er sich verstohlen im Büro um und sah, daß der Laptop aufgeklappt und mit eingestecktem Telefonkabel auf dem Schreibtisch stand. Wie blöd von mir, ihn so da stehen zu lassen, dachte Levine. Der Anruf, auf den er wartete, mußte in etwa fünf Minuten kommen.
»Warm hier drinnen«, sagte der Rektor. »Warum lassen Sie sich nicht endlich eine Klimaanlage einbauen, Charles? Die Universität würde alle Kosten übernehmen.«
»Ich mag die Hitze. Von Klimaanlagen bekomme ich bloß Stirnhöhlenentzündung«, antwortete Levine und setzte sich an den Schreibtisch. »Was führt Sie zu mir, meine Herren?« Die beiden Besucher nahmen ebenfalls wieder Platz, wobei der neue Dekan mit sichtlichem Widerwillen die Unordnung in Levines Büro musterte. »Nun, Charles«, begann der Rektor, »wir sind hier wegen dem Rechtsstreit.«
»Wegen welchem genau?«
Der Rektor warf Levine einen geschmerzten Blick zu. »Wir nehmen solche Dinge - ganz offenbar im Gegensatz zu Ihnen sehr ernst.« Als Levine nichts darauf erwiderte, fuhr er fort: »Ich meine natürlich den jüngsten Rechtsstreit, den GeneDyne gegen Sie anstrengt.«
»Das ist bloß ein Versuch, mich einzuschüchtern«, antwortete Levine. »Das Verfahren wird eingestellt, das verspreche ich Ihnen, so wahr ich hier sitze.«
»Ich fürchte, wir sind da anderer Ansicht, Dr. Levine«, sagte der Dekan und beugte sich vor.» Diese Anklage ist kein Pappenstiel. GeneDyne beschuldigt Sie des Diebstahls von Firmengeheimnissen und elektronischer Industriespionage, außerdem der Verleumdung und der üblen Nachrede. Und das ist noch nicht einmal alles.«
Der Rektor nickte. »GeneDynes Anschuldigungen sind sehr ernst. Dabei geht es diesmal nicht um das, was Sie sagen, sondern um Ihre Vorgehensweise, und das beunruhigt mich persönlich am meisten.«
»Was ist mit meiner Vorgehensweise?«
»Bitte regen Sie sich nicht auf«, sagte der Rektor und zupfte sich die Manschetten zurecht. »Sie waren schon häufiger in Schwierigkeiten, und wir haben noch jedes Mal zu Ihnen gehalten. Das war nicht immer einfach, Charles. Es gibt einige Kuratoren und zwar ziemlich einflußreiche -, die es nicht ungern gesehen hätten, wenn wir Sie den Wölfen zum Fraß vorgeworfen hätten. Aber wenn jetzt auch noch Ihre Methoden öffentlich ins Zwielicht geraten...nun, dann müssen wir den guten Ruf unserer Universität verteidigen. Sie wissen genau, was legal ist und was nicht, und ich möchte Sie dringend ersuchen, in Zukunft die Grenzen des Erlaubten nicht mehr zu überschreiten. Ich hoffe, wir haben uns verstanden.« Das Lächeln des Rektors verschwand für einen Augenblick aus seinem Gesicht. »Das ist die letzte Warnung, Charles.«
»Dr. Landsberg, ich glaube nicht, daß Sie auch nur annähernd wissen, worum es hier wirklich geht. Dies ist kein akademischer Schlagabtausch mehr, sondern es steht die Zukunft der gesamten Menschheit auf dem Spiel.« Levine warf einen verstohlenen Blick auf seine Uhr. Nur noch zwei Minuten. Mist. Landsberg hob fragend eine Augenbraue. »Die Zukunft der gesamten Menschheit?«
»Wir befinden uns in einer Art Krieg. Daß GeneDyne seit neuestem versucht, die menschlichen Keimzellen zu verändern, ist ein Anschlag auf das menschliche Leben an sich. Extremismus in der Verteidigung von Freiheit ist kein Laster<. Erinnern Sie sich an diesen Ausspruch? Als man im Dritten Reich die Juden aus den Ghettos in die Vernichtungslager bringen wollte, hatten die Opfer auch keine Zeit mehr, um sich lange Gedanken über
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