Mount Maroon
1606/1608
oil on canvas
Der Sturz des Phaeton, die alte griechische Legende, von der Mr. Dick erzählt hatte. Jetzt war alles wieder da. Der gemütliche Mr. Dick, der Hobbyastronom in seinem bequemen Auto, der Krawattenvertreter, der ihm das Sternbild des Schwans gezeigt hatte. Während Irene dazu übergegangen war, den alten Meistern dadurch ihre Aufwartung zu machen, indem sie quietschvergnügt zwischen ihren Werken hin- und herhüpfte und die abgebildeten Engel zählte, zog Peter seine Frau beiseite.
- „Ellen, ich habe dir doch von Mr. Dick erzählt.”
Zwischen Ellens Augenbrauen bildeten sich tiefe Fältchen, das eindeutige Signal eines aufkommenden Unwetters, welches sich aus einem scheinbar heiteren Himmel, aber niemals grundlos hinter ihrer Stirn zusammenbraute. Worte lagen unausgesprochen in der Luft, Worte wie: „Fängst du schon wieder damit an” oder „Peter, ich kann nicht mehr”. Gleich würden sie aus ihrem Mund herausbrechen und die erhabene Atmosphäre dieses ehrwürdigen Raumes zerstören, wie ein Dragonerregiment, das … Doch Ellen sah Peters Verzweifelung, sie sah die fröhliche Irene und wusste plötzlich, dass das starke Band, das sie mit diesen beiden Menschen vereinte, erneut einer starken Zerreißprobe ausgesetzt war. Tief in ihrem Inneren fühlte sie, dass sie kämpfen musste, wenn sie ihre kleine Familie retten wollte. Peter war noch immer nicht davon überzeugt, das alles nur geträumt zu haben. Was konnte sie tun, um ihm zu helfen? Vermutlich halfen nur weitere Fakten. Peter musste die Realität für sich zurückgewinnen, musste lernen zu unterscheiden, was tatsächlich stattgefunden hatte, und was nur Produkte seiner Phantasie waren. Kurz und entschlossen sagte Ellen:
- „Du solltest versuchen, diesen Mr. Dick zu finden. Falls er wirklich existiert, musst du herauskriegen, woher du ihn kennst.”
39. EINE SCHWERE ENTSCHEIDUNG
Das Pine House war ein abweisendes Gebäude mit grauem Klinker. Ein Minenbesitzer hatte es 1882 erbaut. Nachdem die Silbervorkommen am Parvan Creek aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts zur Neige gegangen waren und man auch nach intensiven Grabungen auf keine neue lohnenswerte Ader stieß, packte er schließlich seine Sachen und überließ das Haus dem Verfall. In den 1930er Jahren hatte es der Staat North Carolina für wenig Geld erworben und zu einem Irrenhaus umgebaut.
Es war ein besonders dunkles Kapitel amerikanischer Psychiatriegeschichte, dessen Ort Alan Mason an jenem Septembermorgen im Jahre 1947 betrat. Er fuhr mit seinem schwarzen Ford Deluxe 21A, der noch vor Kurzem seinem Großvater gehörte, durch die weit offen stehenden Pforten eines Gittertores, das sich nahtlos in die mehrere Meter hohe marode Steinmauer einpasste. Obwohl es ein sonniger Tag zu werden versprach, war der Nebel in dem tiefen Taleinschnitt noch vergleichsweise dicht. So sah er das Haus zunächst nur schemenhaft. Er war sich noch immer nicht im Klaren darüber, was er tun sollte, aber die Informationen, die er von Inspektor Gardner erhalten hatte, bereiteten ihm zunehmend Sorgen. Der Inspektor zeigte sich ihm gegenüber als überaus auskunftsfreudig. Überhaupt behandelten ihn alle mit großem Respekt, die Behörden ebenso wie die einfache Bevölkerung. Als einziger Überlebender der Katastrophe schien er eine Art Heldenstatus zu genießen. Die Bundesregierung hatte ihm schon wenige Tage nach dem Unglück am Mount Maroon ein Telegramm geschickt, in dem man ihm eine großzügige Rente anbot. In den nächsten Wochen sollte er ferner mit einer Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet werden, allerdings wusste man noch nicht genau mit welcher. Auch bemühte man sich um seine Mitarbeit an anderen wissenschaftlichen Projekten, ein Wiederaufbau des Mount Maroon Laboratory hingegen, wie er ihn bei nahezu allen wichtigen Telefonaten beiläufig anregte, wurde kategorisch ausgeschlossen. Das war ein echtes Dilemma, wenngleich noch genügend Zeit war, die Dinge in Ordnung zu bringen.
Als Erstes musste er sich um Forma kümmern, ohne sich dabei selbst zu verraten. Der gute Forma hatte einen Nervenzusammenbruch erlitten. Niemand glaubte ihm seine Geschichte und wer wollte es den Beamten auch verdenken. Sie wussten nicht so recht, was sie mit ihm machen sollten. Selbst strenge Verhöre brachten keine neuen Erkenntnisse und so behielt man ihn erst einmal in Gewahrsam. Die Polizeistation von Bryson City verfügte zu jener Zeit noch über eine Räumlichkeit, wie man sie heutzutage nur noch
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