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Mount Maroon

Mount Maroon

Titel: Mount Maroon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ethan Bayce
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anderen Flügel.”
    Mason ging weiter zur Kinderstation, durch eine Scheibe sah er in ein Zimmer mit vielen kleinen Betten, vielleicht acht oder zehn. An einem saß eine Frau und weinte bitterlich. Über der Wiege war eine durchsichtige Plane befestigt. Ein Mann in einem weißen Kittel trat zu ihm.
    - „Es ist furchtbar, wenn man nichts tun kann. Dabei war der Zustand in den letzten Tagen so stabil. Gestern Abend dann hatten wir die Hoffnung schon aufgegeben. Ich dachte, jetzt geht es zu Ende, aber dann hat sich der kleine Racker noch einmal erholt.”
    - „Ist das Mrs. Townsend?”
    - „Ja, sie war so glücklich, als der kleine Forma auf die Welt kam. Aber eine gute Woche nach der Geburt ging es dem Säugling auf einmal sehr schlecht …”
    Er sah in die Akte in seiner Hand.
    - „Genau, am 16. August wurde er eingeliefert, hatte in der Nacht zuvor hohes Fieber bekommen. Ich fürchte, er wird nicht mehr lange durchhalten.”
    Mason ging zur Intensivstation. Hier lag der andere Forma. Er öffnete die Tür des Krankenzimmers. Dunkelheit erfüllte den Ort, die vom dünnen Wolframfaden der Nachttischlampe nur unzureichend bekämpft wurde. Der Raum war klein, was die Atmosphäre stark verdichtete, ein Abstellgleis am Ende des Lebens. Die Zweckmäßigkeit der Einrichtung unterstrich die große Distanz, die oftmals zwischen einem Schwerkranken und der Welt lag, ein Bett, ein Stuhl, ein Nachttisch und diese Apparatur. Da lag er also, angeschlossen an die damals neuartige Herz-Lungen-Maschine, deren monotones Pumpgeräusch beklemmend wirkte. Mason stand am Fußende des Bettes, umklammerte mit seinen Fingern das massive Metallgitter. Ein Arzt bestätigte, dass auch hier die Chancen schlecht waren. Forma wurde in einem künstlichen Koma gehalten. Was war das für eine eigenartige Situation? Ein und derselbe Mensch lag einmal als Mann und einmal als Baby im selben Provinzkrankenhaus. Beide rangen mit dem Tod. Das konnte doch kein Zufall sein. Wie oft hatten sie darüber diskutiert, wie es für einen Zeitreisenden wäre, sich selbst zu begegnen. Elliot Harper sah darin kein wesentliches Problem, nichts deutete seiner Ansicht nach auf eine paradoxe Konstellation hin. Lorenz Veitman hingegen wandte ein, dass durch eine solche Begegnung der Zeitstrom gefährdet würde, da der Zeitreisende durch sein Erscheinen die Zukunft seines zweiten Ichs determinierte, was zu einer Einschränkung der grundsätzlichen Wahlfreiheit führen konnte. Er empfahl deshalb, sich gegenüber sich selbst und seinen Bekannten zurückzuhalten und am Besten kein Treffen zu provozieren. Keiner aber schien eine derartige Situation auf der Rechnung zu haben, eine Art Energieproblem. Das Fieber des Säuglings hatte angefangen, als Forma am Mount Maroon eintraf und Forma bekam Schmerzen, als es dem Baby besser ging, ein Wechselspiel. Immer wenn es dem alten Forma gut ging, ging es dem Baby schlecht und umgekehrt genauso. Im Augenblick schienen sich die Zustände auf sehr niedrigem Niveau die Waage zu halten, aber was, wenn diese Stabilität nicht mehr gewährleistet wäre. Mason ging zurück zum Auto, rauchte eine Zigarette. Er musste eine Entscheidung treffen und zwar schnell.
    Noch einmal ging er zur Kinderstation. Der Arzt, mit dem er eben gesprochen hatte, stand neben dem Bettchen. Er hatte die Plane zurückgeschlagen und hielt sein Stethoskop an den winzigen Körper. Mason stellte sich vor, was als nächstes passieren würde, sah ihn seinen Arm zurückziehen, die Ohrstöpsel lösen und den Kopf schütteln. Das durfte nicht sein. Egal was passierte, aber das durfte einfach nicht sein. Mason rannte den kahlen grün getünchten Gang entlang. Bis zur Intensivstation brauchte er keine fünf Minuten. Es war schlimm das Baby unter der durchsichtigen Plane liegen zu sehen. Er würde diesen Anblick niemals vergessen. Während seine Augen über den grauen Linoleumfußboden glitten, projizierten seine Gedanken unablässig Bilder des kleinen heißen Gesichtchens. Wie lange würde der Säugling noch durchhalten? Wie lange würde das kleine Herz kämpfen können, bevor es seinen letzten Schlag tat? Er war noch keine sechs Wochen auf der Welt und die Ärzte versuchten alles, aber sie hatten kaum noch Hoffnung, wohl wissend, dass es hinter der Hoffnung nur noch eine grenzenlose Leere gab, den Abgrund. Die Mutter hatte das Krankenhaus seit Tagen nicht verlassen, saß vor dem Bettchen, betete und weinte. Mason konnte nicht anders, er musste handeln und er wusste, was zu

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