Mount Maroon
Bartlett? Was war aus ihm geworden?
Seinen Leuten hatten sie gesagt, es habe im Tunnel sechs Tote gegeben, also auch Bartlett und Saunders erwischt. Selbstverständlich war es daher nötig, die Särge unter Verschluss zu halten. Keiner war auf die Idee gekommen, dass zwei von ihnen lediglich mit Sand gefüllt waren. Dennoch herrschte seit dem Zwischenfall eine eigenartige Atmosphäre im Laboratory. Acht Tote innerhalb weniger Wochen, das konnte keine staatlich geförderte Einrichtung verkraften und mit diesem Bannister waren es sogar neun. Wenigstens untermauerten die Ereignisse die Gefahr, die von dem Tunnel ausging. Jetzt konnte man wirklich sicher sein, dass sich so schnell kein Unbefugter mehr in die Nähe begeben würde. Ein neues Problem ergab sich, weil man die Abwesenheit von Alan Mason erklären musste. Bislang schien ihn noch keiner vermisst zu haben. Es kam schon einmal vor, dass sich die Ingenieure des inneren Bereichs und die übrigen Angestellten des Laboratory einige Zeit nicht sahen, aber irgendwann würden Fragen aufkommen, dann Mutmaßungen, die sich, wenn man ihnen nichts entgegenzusetzen hatte, zu Gerüchten verfestigten. Wenn Mason wieder auftauchte, oder Bartlett, würden sich die Dinge von allein zum Guten wenden, dann wäre die Menschheit um eine große Erkenntnis reicher. Es würde zu fundamentalen Neubewertungen von Zeit- und Lebensfragen kommen. Aber was, wenn keiner zurückkäme? Bald würde man Entscheidungen treffen müssen. Shane und Myers hatten gehofft, dass die Rückkehr Masons sie davor bewahren würde, aber man wartete nun doch schon eine ganze Weile darauf. Terry Haze hatte sich nur einen Tag lang bedeckt gehalten, hatte sich zusammen mit den anderen das Video aus dem Tunnel angesehen und die Entscheidung, Mason hinterherzuschicken, mitgetragen. Danach hatte er den Verantwortlichen für den ungenehmigten Testlauf einen scharfen Verweis erteilt. Immerhin hatte er verhindern können, dass es zu umfangreichen polizeilichen Ermittlungen kam.
Seit Mason fort war, verweigerte sich Haze aber jeder Diskussion. Es war jedem bis auf weiteres verboten worden, den Tunnel zu betreten. Aber davon war ohnehin abzuraten, musste doch die Energieversorgung für den intertemporären Transfer gewährleistet werden, also für die Offenhaltung des Zeittores. Weder Raymond Myers noch Robert Shane selbst hatten herausfinden können, ob Terry Haze die Rückkehr von Mason herbeisehnte oder froh war, dass einfach nur Zeit verstrich, ohne dass etwas Wesentliches passierte. An diesem Morgen sollte jedoch klar werden, wie er über die Angelegenheit dachte.
Mr. Haze kam unangemeldet. Er klopfte an die Tür des kleinen Konferenzraums und Robert Shane gewährte ihm Einlass. Bruce, der wie sein Herrchen in der oberen Etage Asyl gefunden hatte, kam aus seiner Ecke neben der Ottomane, versuchte die weichen Ohren zu versteifen, beschnüffelte den Oberschenkel des Ankömmlings und begann, heftig mit dem Schwanz zu wedeln. Haze beachtete ihn nicht. Unverzüglich nahm er sich stattdessen einen der Rokokostühle und setzte sich vor Shanes provisorischen Schreibtisch. Der Tisch war zu hoch für die niedrige Sitzfläche, so dass Shane ihn nur bis zur Brusthöhe sah. Ein weiterer harter Schlag für das ästhetische Grundempfinden des Einrichtungsleiters. Mr. Haze schien es nicht zu stören, er war so sehr mit seinem Anliegen beschäftigt. Ja, er schien die Absurdität der Konstellation nicht einmal zu bemerken. In dem ihm eigenen unbehaglich gepressten Tonfall kam er schnell zur Sache.
- „Mr. Shane, wissen Sie, wie viel Strom das Labor täglich verbraucht?“
Robert Shane nannte eine Zahl, die ihm nach kurzem Überlegen angemessen erschien.
- „Ich meine nicht den durchschnittlichen Verbrauch der letzten Jahre. Ich meine den aktuellen seit dem Verschwinden von Colonel Mason.“
- „Dem Verschwinden … gütiger Gott.“
Roberts Shane bebte, er bemühte sich um einen ruhigeren Tonfall.
- „Ich weiß, worauf Sie hinaus wollen, Mr. Haze. Ja, ich denke, wir kommen wohl in die Größenordnung einer mittleren Kleinstadt. Na und? Wie viel Energie verbraucht Cape Canaveral bei einem Raketenstart. Wir betreiben hier eines der größten Experimente der Menschheitsgeschichte. Wir sind keine Forellenzüchter.“
Mr. Hazes Lippen spannten sich, er merkte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss.
- „Ich weiß das alles, aber ich habe einen Auftrag zu erfüllen. Es geht hier um die Interessen des amerikanischen Volkes und
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